Aussonderungspflicht
Im Entsiegelungsverfahren sind Informationen von Amts wegen auszusondern, die vom Durchsuchungsinteresse der Staatsanwaltschaft nicht erfasst sind. Dies schliesse ich aus einem heute publizierten Entsiegelungsentscheid des Bundesgerichts (BGer 7B_168/2023 vom 18.04.2023):
Wenn wie vorliegend die Staatsanwaltschaft sachlich und zeitlich klar eingrenzt, welche Aufzeichnungen – nämlich Bilder, Videos, Textnachrichten und Standortdaten – auf dem Mobiltelefon des Beschwerdeführers sie als verfahrensrelevant beurteilt, verstösst es gegen die dargelegten Grundsätze und damit Bundesrecht, wenn die Vorinstanz die Entsiegelung hinsichtlich sämtlicher Aufzeichnungen auf dem Mobiltelefon des Beschwerdeführers und nicht nur bezüglich der Aufzeichnungen im Zusammenhang mit den hier interessierenden Vorwürfen anordnet. Daran ändert auch der Hinweis der Vorinstanz nichts, wonach der Beschwerdeführer keine substanziierten Angaben dazu gemacht habe, welche Aufzeichnungen offensichtlich nicht verfahrensrelevant seien. Dass die Aussonderung der von der Staatsanwaltschaft als nicht verfahrensrelevant erachteten Aufzeichnungen durch die Vorinstanz wegen der Menge der auf dem Mobiltelefon gespeicherten Daten und des erforderlichen Aufwands nicht praktikabel bzw. nicht möglich wäre, ist im Übrigen nicht ersichtlich. Insoweit erweist sich die Beschwerde als begründet (E. 2.6).
Den Auftrag an die Vorinstanz formuliert das Bundesgericht dementsprechend wie folgt:
Die Entsiegelung (Freigabe zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft) ist auf untersuchungsrelevante Aufzeichnungen – Bilder, Videos, Textnachrichten und Standortdaten zwischen dem 12. Dezember 2021 bis zum 27. November 2022 – auf dem Mobiltelefon des Beschwerdeführers zu beschränken (E. 3).
Die Staatsanwaltschaften werden sich nun hüten, den Zeitraum der zu durchsuchenden Informationen zu spezifizieren. Das wird ihnen aber in vielen Fällen wenig bringen, weil er sich meistens durch die Umschreibung der Tat eingrenzen lässt. Jedenfalls wird die Verteidigung gehalten sein, die Entsiegelungsgerichte darauf hinzuweisen.
Das « Instrument » der Siegelung bleibt ein totaler Irrläufer in der StPO. Es bleibt ein Rätsel, was der Beschuldigte damit erreichen will. Alles was die Strafverfolgungsbehörden sehen wollen, werden sie auch sehen. Einfach zeitverzögert. 3 bis 6 Monate später. Bei U-Haft bleibt solange Kollusionsgefahr. Das perfekte Argument. Und die Kosten der Experten gehen zu Lasten des Beschuldigten bei Verurteilung. Irgendwelche Nacktbilder, Anwaltskorrespondenz, etc auf dem Telefon interessiert niemanden bzw, keinen Strafverfolger….
@Anonymous: Gut zu wissen: wer Siegelung beantragt, hat verloren.
Ja das bringt am Ende eben wenig, ich hatte mal so einen Datenstick in der Hand darauf 7 mio Daten es hat 3 sekunden gedauert eine zu laden. Man sieht nicht was es ist bevor man es nicht angeschaut hat. Am Schluss war zu wenig spezifiziert welche Unterlagen nicht Verfahrensrelevat sind und es wurde trotzdem alles entsiegelt, weil es am schluss dann doch sache ist des beschuldigten das nicht relevante zu bezeichnen, am Schluss sind das nur Polemik Entscheide um den Anschein von Rechstaatlichkeit zu wahren, man kann ja wenn nur das zu beurteilen ist als BGE nicht sagen auch nicht Verfahrensrelevates ist zu entsiegeln. Am Schluss ist es glück wenn das BGE das überhaupt beurteilt, das kann nur passieren wenn es sehr wenige Rügen gibt, ansonsten kann man das abwischen mit auf die weiteren Rügen ist nicht einzugehen usw. Weil man sich als BGE dann einfach zwei drei raussucht die man so entscheiden kann wie man will, wenn man zuviel rügt, es verletzt das rechtliche Gehör ja nicht wenn nicht zu allen Standpunkten des Beschuldigten Stellung genommen wird.
Beim Thema der Versiegelung hat man schlussendlich meistens sowieso keine Chancen. Es wird immer wieder entschieden, dass die Anforderungen der Substanziierungspflicht nicht genügend nachgekommen wird, allerdings gibt es gar keine Informationen dazu, wie diese rechtsgenüglich dargelegt werden könnten. Auch andere Rügen, wie Deliktskonnext und Grundsätze der Verhältnismässigkeit (wie z.B. Einschränkung der Auswertung auf potentiell mögliche Zeitpunkte) werden sowohl von Zwangsmassnahmegerichten, wie auch Bundesgericht ignoriert. Die einfache Ausrede des Bundesgericht war es, gar nicht erst auf die Beschwerde einzugehen. Interessant dabei ist auch, dass das Bundesgericht eine Unverhältnismässigkeit der Durchsuchung (z.B. betreffend Zeitrahmen) nicht als mögliche Entsiegelungshinderniss sieht.
Lustig oder eben traurig ist nur, dass ein Zwangsmassnahmengericht angibt, dass es nicht einleuchtend sei, was unter “Persönlichkeitsprofile” und “Höchstpersönliche Persönlichkeitsprofile” zu subsumieren wäre. Obwohl diese Begriffe ganz klar durch die Gesetzgebung (Datenschutz) definiert sind.