Befangen nach Kritik am Strafverteidiger

Das Bundesgericht weist einen Obergerichtspräsidenten in den Ausstand, weil er sich negativ über den Strafverteidiger der Beschuldigten geäussert hatte, was zu einem vom Verteidiger angestrengten Aufsichtsverfahren wegen unstatthafter Einmischung in ein laufendes Strafverfahren führte. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Beschuldigten gut (1B_221/2007 vom 16.01.2008):

Im Schreiben der Aufsichtsbehörde wird – teilweise nicht überprüfbare – Kritik am Strafverteidiger der Beschwerdeführerin geäussert und ein unnötiger Bezug zwischen dem Strafverfahren und den Richterwahlen hergestellt. Das Problematische daran ist, dass dies von der gleichen Person ausgeht, welche am Obergericht des Kantons Uri im Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin als Richter amten wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass für die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren viel auf dem Spiel steht, weil sie wegen eines schweren strafrechtlichen Vorwurfs (Mord) in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt wurde. Bei dieser Sachlage muss der Anschein der Voreingenommenheit des Obergerichtspräsidenten bejaht werden. Der Obergerichtspräsident hat in den Ausstand zu treten, da er sich als Aufsichtsorgan zur Verteidigung im Strafverfahren vorgängig in einer Weise geäussert hat, die seine Mitwirkung als Strafrichter im obergerichtlichen Verfahren ausschliesst. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf ein verfassungsmässiges Gericht ist begründet (E. 4.2).

Die Vorinstanz hatte die Abweisung des Ablehnungsgesuchs noch wie folgt begründet:

Betreffend den Obergerichtspräsidenten wird im Beschluss des Obergerichts ausgeführt, er habe das Schreiben vom 19. Oktober 2006 in seiner Funktion als Präsident der Aufsichtskommission über die richterlichen Behörden und die Rechtsanwälte verfasst. Er sei für die beförderliche Erledigung des Strafverfahrens gegen X. besorgt gewesen und habe dabei auch im Interesse der Angeschuldigten gehandelt. Materiell habe er sich zur Sache nie geäussert. Die derzeit beim Landrat hängige Aufsichtsbeschwerde sei vom Strafverfahren gegen die Angeschuldigte unabhängig und betreffe nur die aufsichtsrechtliche, nicht die richterliche Tätigkeit des Abgelehnten. Ein Ausstandsgrund sei nicht ersichtlich.

Der Obergerichtspräsident selbst liess sich im Verfahren vor Bundesgericht wie folgt vernehmen:

Der Rechtsvertreter der Angeschuldigten habe vor den letzten Richterwahlen vom 11. März 2007 immer wieder mit einer “politischen Remedur” und dem Gang an die Öffentlichkeit gedroht. Das Strafverfahren gegen X. vor dem Landgericht Uri habe überlang gedauert und das Landgericht habe sich in einer besonderen personellen Situation befunden (Ausstand der beiden Juristen der Richterbank und des Strafgerichtsschreibers, Kündigung des Landgerichtsschreibers). Es falle in die Kompetenz der Aufsichtsbehörde, Rechtsverzögerungen zu verhindern. Es sei unbekannt gewesen, wie sich das Landgericht für die neue Amtsdauer ab 1. Juni 2007 zusammensetzen werde. Der Obergerichtspräsident fährt fort, er fühle sich betreffend das Strafverfahren gegen die Angeschuldigte nicht befangen und habe sich über die Stichhaltigkeit der Anklage zu keinem Zeitpunkt geäussert.

Selbst in den Ausstand zu treten hätte der ach so umsorgten beförderlichen Erledigung des Strafverfahrens besser gedient.