Befangene Richterin
Eine Einzelrichterin, welche eine bei ihr hängige Anklage einen Tag vor der Hauptverhandlung an das ihrer Meinung nach kompetente Kollegialgericht überweist (Art. 334 StPO), kann dieses wegen Befangenheit nicht mehr präsidieren (Art. 56 lit. f StPO). Das Bundesgericht heisst eine entsprechende Beschwerde – zu meinem Erstaunen – gut (BGer 1B_87/2017 vom 06.04.2017).
Warum zu Deinem Erstaunen? Die Vorbefassung ist doch evident, wenn eine Einzelrichterin zum Schluss kommt, es sei für den Fall einer Verurteilung eine Strafe auszufällen, die nicht mehr in ihre Kompetenz als Einzelrichterin fällt. Erstaunlich am Urteil ist daher lediglich, dass das Bundesgericht hauptsächlich auf die Umstände des Einzelfalls abstellte, nämlich darauf, dass die Überweisung ans Kollegialgericht erst kurz vor der Hauptverhandlung und damit gestützt auf ein eingehendes Aktenstudium erfolgte (Erw. 2.5). Kann denn ein vertieftes Aktenstudium nicht schon bei bei Eingang der Anklage erfolgen? Und wie will kontrolliert werden, ob die Einzelrichterin nur die Anklage oder die ganzen Akten (evtl. nur “prima facie”) studiert hat? Das Bundesgericht hat die Chance verpasst, einen praxisnahen und wegleitenden Entscheid zu fällen.
Zu meinem Erstaunen nur, weil es nach meiner Beurteilung viel zu viel braucht, um einen Richter oder auch eine Staatsanwältin in den Ausstand zu versetzen. Deine Beurteilung teile ich, v.a. das nicht praktikable “prima facie”-Kriterium.