Begünstigung durch zu hohe Genugtuung für Überhaft
Das Bundesgericht kassiert einen Entscheid einer Vorinstanz, welche dem Beschwerdegegner eine Genugtuung von CHF 45,000.00 für Überhaft (286 Tage) zugesprochen hatte (BGer 6B_574/2010 vom 31.01.2011). Die Beschwerdeführerin (Oberstaatsanwaltschaft) hat erfolgreich wie folgt argumentiert:
Indem die Vorinstanz die Genugtuungssumme nicht massiv reduziert habe, habe sie den Beschwerdegegner in unzulässiger Weise begünstigt. Der Betrag sei krass zu hoch festgesetzt und stütze sich auf eine willkürliche Anwendung des kantonalen Prozessrechts. Die Strafsache sei an die Vorinstanz zur willkürfreien Festsetzung der Genugtuungssumme zurückzuweisen (E. 2.2) .
Das Bundesgericht erachtet die Genugtuung von CHF 45,000.00 als willkürlich:
Der Anspruch des Beschwerdegegners auf Genugtuung für erlittene Überhaft gemäss § 43 Abs. 3 StPO/ZH besteht nur für diejenigen Verfahrensabschnitte, in welchem ihm keine Kosten auferlegt werden (vgl. DONATSCH/SCHMID, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, N. 2 und 26 zu § 43 StPO/ZH). Die Vorinstanz berücksichtigt bei der Kostenausscheidung, dass der Beschwerdegegner die Einleitung des Verfahrens durch sein verwerfliches Verhalten verursacht hat. Sie qualifiziert die Haft vom 30. Oktober 2007 bis zum 1. Februar 2008 als rechtmässig. In zutreffender Anwendung des kantonalen Prozessrechts legt sie dem Beschwerdegegner die bis zum 1. Februar 2008 anfallenden Kosten auf und verneint für diesen Verfahrensabschnitt den Anspruch auf Entschädigung. Eine Entschädigung für “Unbill der erstandenen Überhaft” behält sie jedoch ausdrücklich vor (angefochtenes Urteil E. V. 2 S. 13). Dieser Vorbehalt deutet darauf hin, dass die Vorinstanz die Genugtuung hypothetisch für die gesamte Dauer der Überhaft festgelegt und anschliessend den Betrag um das Mitverschulden des Beschwerdegegners herabgesetzt haben könnte. Dies ergibt sich aus den knappen vorinstanzlichen Erwägungen nicht, kann vorliegend aber offen gelassen werden. Denn der zugesprochene Genugtuungsbetrag von Fr. 45’000.– fällt im Vergleich zur Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Bemessung von Entschädigungen unhaltbar hoch und deshalb zumindest im Ergebnis willkürlich aus (vgl. Urteil 8G.122/2002 a.a.O. E. 6.1.4 mit zahlreichen Hinweisen). Nach Abzug der bis zum 1. Februar 2008 dauernden rechtmässigen Haft beträgt die Überhaft knapp 7 Monate. Dies ergibt einen Tagessatz von ungefähr Fr. 215.–. Dabei ist zu beachten, dass die Haft mehrere Monate dauerte, weshalb der Tagessatz mangels aussergewöhnlicher Umstände zu senken wäre. Zudem wiegen die vorgeworfenen Drohungen nicht derart schwer, dass sie besonders belastende Begleiterscheinungen der Haft und somit eine Erhöhung der Genugtuung begründen würden (vgl. Urteil 8G.122/2002 a.a.O. E. 6.1.8). Die Rüge der willkürlich festgesetzten Genugtuung erweist sich als begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Bemessung der Genugtuung an die Vorinstanz zurückzuweisen (E. 2.5).
Entscheidend war für das Bundesgericht somit allein die Höhe der Genugtuung bzw. der zur Anwendung gebrachte Tagessatz. die Willkürkognition des Bundesgerichts ist bei Beschwerden des Fiskus offensichtlich weniger eng als bei privaten Beschwerdeführern.