Behördenkritik als Ehrverletzung

Bis vor Bundesgericht musste ein Behördenkritiker kämpfen, um nicht wegen Beschimpfung verurteilt zu werden.

Er hatte einen (nicht vollumfänglich bekannten) bekannten Brief an die Grundbuchverwalterin gerichtet, der wie folgt begann:

Ihr Verhalten gegenüber unseren Kunden und uns ist gelinde gesagt eine Frechheit. Ob der Grund Ihres untragbaren Verhaltens an Ihren Fähigkeiten oder Ihrer persönlichen Einstellung liegt, interessiert uns als Bürger oder deren Vertreter nicht. Beide Eigenschaften sollten Ihren Arbeitgeber veranlassen, das Arbeitsverhältnis mit Ihnen ernsthaft zu überdenken!

Anders als die kantonalen Behörden kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass die kritisierte Grundbuchverwalterin nicht beschimpft wurde (BGer 6B_257/2016 vom 05.08.2016). Es erkannte, dass ein sog. gemischtes Werturteil vorliege:

Der Beschwerdeführer wirft der Beschwerdegegnerin 2 ein bestimmtes Verhalten, d.h. Tatsachen vor. Der Vorwurf an die Beschwerdegegnerin 2 in der Einleitung des Schreibens vom 3. Februar 2014, ihr “Verhalten” sei eine Frechheit und untragbar, bezieht sich offensichtlich auf die dieser vom Beschwerdeführer zur Last gelegten konkreten Verfehlungen. Die Vorinstanz hätte daher prüfen müssen, welches Verhalten der Beschwerdeführer in seiner einleitenden Bemerkung anspricht. Die Einleitung des Schreibens darf folglich nicht losgelöst vom Rest des Schreibens betrachtet werden. Dennoch wurde dessen weiterer Inhalt soweit ersichtlich nicht zu den Akten erhoben und bildete infolgedessen auch nicht Bestandteil der Anklage. Stattdessen spekuliert die Vorinstanz, was unter dem in der Einleitung angesprochenen “Verhalten” zu verstehen ist, wobei sie zum Schluss kommt, der Beschwerdeführer werfe der Beschwerdegegnerin 2 vor, sie nehme ihre Amtspflichten (allgemein) nicht wahr und sei unzuverlässig und nicht vertrauensvoll. Damit verkennt die Vorinstanz, dass für die Ermittlung des Sinns der Äusserung die konkreten Umstände zu berücksichtigen sind (E. 1.4.1).

Damit wäre der Freispruch, den das Bundesgericht nicht erlässt, noch nicht klar. Die Kritik des Bundesgerichts beim subjektiven Tatbestand dürfte dann aber den Freispruch vorzeichnen:

Die Kritik des Beschwerdeführers betraf damit ein konkretes Geschäft, bezüglich welchem er der Beschwerdegegnerin 2 Untätigkeit vorwarf. Jedenfalls können dem angefochtenen Entscheid keine Hinweise entnommen werden, dass der Beschwerdeführer dieser auch anderweitige Verfehlungen zur Last legte. Es handelte sich demnach um eine Kritik an der beruflichen Tätigkeit der Beschwerdegegnerin 2, welche nicht deren Person als ehrbarer Mensch tangierte. Untätigkeit kann mit fehlender Vertrauenswürdigkeit eines Amtsträgers zudem nicht ohne Weiteres gleichgesetzt werden.

Zutreffend ist zwar, dass der Beschwerdeführer in seinem Schreiben zum Ausdruck bringt, die Beschwerdegegnerin 2 arbeite schlecht, da er allfällige sachliche Gründe für die seines Erachtens schleppende Verfahrenserledigung ausser Acht liess und den Grund dafür im Verhalten bzw. den persönlichen Eigenschaften der Beschwerdegegnerin 2 (ihren Fähigkeiten oder ihrer persönlichen Einstellung) sieht. Eine solche Kritik an der Amtsführung betrifft entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht per se auch die persönliche Ehre des Amtsträgers, auch wenn diesem damit die für die Amtsführung erforderlichen Eigenschaften abgesprochen werden (E. 1.4.2).