Beliebige Schlusseinvernahme?
Art. 317 StPO schreibt in bestimmten Fällen vor, dass die Staatsanwaltschaft eine Schlusseinvernahme der beschuldigten Person durchführt. Nur weil das so im Gesetz steht, hat die beschuldigte Person aber gemäss Bundesgericht keinen durchsetzbaren Anspruch darauf (BGer 1B_73/2014 vom 21.05.2014). Wer die Durchführung einer Schlusseinvernahme, für die es zahlreiche gute Gründe gibt (s. dazu unten), beantragt, muss damit rechnen, ohne Rechtsschutz abgewiesen zu werden:
Dem Beschwerdeführer droht kein Beweisverlust. Seinen eigenen Standpunkt zur Sache kann er statt in der Schlusseinvernahme uneingeschränkt auch noch vor dem Strafgericht vortragen. Dieses kann überdies in Anwendung von Art. 329 Abs. 2 StPO im Bedarfsfall die Anklage zur Ergänzung bzw. konkret zur Durchführung einer Schlusseinvernahme an die Staatsanwaltschaft zurückweisen (E. 2.1).
Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag auf Durchführung einer Schlusseinvernahme auch damit, vor Abschluss des Vorverfahrens noch das abgekürzte Verfahren beantragen zu können. Auch dieses Argument verwirft das Bundesgericht, allerdings mit einer Begründung, die nicht darauf schliessen lässt, dass es ihm schwer fällt, sich in den Standpunkt der Verteidigung hineinzuversetzen:
Der Beschwerdeführer macht allerdings nicht geltend, ein solches Verfahren beantragt bzw. die Schlusseinvernahme mit der Begründung verlangt zu haben, dabei gegebenenfalls den Antrag auf ein abgekürztes Verfahren ernsthaft in Erwägung zu ziehen (E. 2.2).
So blöd war der Beschwerdeführer glücklicherweise nicht (blöd wenn er nicht bereits vollumfängliches Geständnis abgelegt hat). Im Ergebnis tritt das Bundesgericht mangels nicht widergutzumachenden Rechtsnachteils nicht auf die Beschwerde ein.
Ergänzend kann dazu auf Folgendes hingewiesen werden:
Gemäss einem Entscheid des Bundesstrafgerichts hat in einer Schlusseinvernahme zwingend die Nennung aller wesentlichen Beweismittel mit Aktenverweisen zu erfolgen (BStGer SK.2012.39 E. 4.1 f.). Das BStGer beanstandete in jenem Fall, dass in der Schlusseinvernahme bei den einzelnen Vorwürfen die Beweismittel samt Aktenhinweis nicht genannt worden seien, was gegen Art. 317 StPO verstosse. Die Ergebnisse des Vorverfahrens seien vorzulegen und die einzelnen Vorwürfe durch Aktenhinweise zu belegen. Eine Verknüpfung von Vorwurf und Beweisen sei der Sinn dieser Norm. Demzufolge sei das Vorverfahren nicht gesetzeskonform abgeschlossen worden. Infolge dieser Mangelhaftigkeit konnte das BStGer kein Urteil fällen.
Bei offensichtlich notwendiger Schlusseinvernahme kann das Gericht iSv Art. 329 StPO deren Fehlen als behebbaren Mangel beanstanden und den Fall an die Staatsanwaltschaft zurückweisen. Dasselbe gilt für eine nicht gesetzmässig durchgeführte Schlusseinvernahme.
In einem noch neueren Entscheid (BStGer SK.2013.11 E. 1.4.4) äusserte sich das Bundesstrafgericht zur vorliegenden Thematik wie folgt:
„Die Einvernahme des Beschuldigten (…) sei Voraussetzung einer gegen ihn gerichteten Anklage und Bestandteil der Vollständigkeit bzw. Ordnungsmässigkeit der Akten gemäss Art. 329 Abs. 1 StPO. Sie sei – wie allenfalls auch Konfrontationseinvernahmen (…) oder auch die Schlusseinvernahme – nicht nur in Berücksichtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Prinzips des fairen Verfahrens geboten, sondern auch unabdingbar zur Beurteilung, ob noch weitere Untersuchungshandlungen zur Klärung des Sachverhaltes von Nöten sind. Bei Fehlen dieser Untersuchungshandlungen sei das Vorverfahren unvollständig.“