Bemerkungen zum "Bericht Lüthi"
Ich hab mich jetzt mal durch den Bericht Lüthi gelesen und bin bitter enttäuscht. Herr Kollege Lüthi hatte auftragsgemäss in einer ersten Phase die Task-Force “Guest” (Fall Ramos) zu untersuchen. Herausgefunden hat er bei näherer Betrachtung überhaupt nichts, was er bereits bei der Beschreibung seines Vorgehens rechtfertigt, indem sich
sehr grosse Zurückhaltung auf[drängte], da die Prüfung der materiellen Seite dieses Einsatzes von R. durch die von der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts eingesetzten Herren Bertossa und Keller zu erfolgen hatte.
Die Erkenntnisse zur genannten ersten Phase nehmen im 38-seitigen Bericht gerade mal gut eine Seite ein. Sie beschränken sich letztlich auf die Feststellung, dass Bundeanwaltschaft und Bundeskriminalpolizei nach ihren eigenen Weisungen vorgegangen sind.
Den Löwenanteil des Berichts nimmt die zweite Phase ein. Darin waren,
ausgehend von den Erkenntnissen aus der Phase I, Fragen zur Organisation und Führung der Bundesanwaltschaft (BA), zu den Abläufen der Verfahren sowie zur Zusammenarbeit mit der Bundeskriminalpolizei (BKP) zu beantworten.
Damit hätte sich die zweite Phase mangels Erkenntnissen aus der ersten eigentlich erübrigt. Es überrascht denn auch wenig, dass auch dazu nichts von Substanz erkannt wurde.
Spannend wäre etwa die Frage gewesen, ob der Einsatz von Vertrauenspersonen (Ramos hatte diesen m.W. nirgends verbindlich definierten Status) zulässig ist. Diese Frage hat aber offenbar einer der beiden Bellinzona-Berichte geklärt.
Sehr spannende Fragen hätten sich im Bereich der sog. “Vorermittlungen / Vorabklärungen” ergeben(das sind Ermittlungshandlungen vor der formellen Eröffnung eines Vorverfahrens – sozusagen also ein “Vorvorverfahren“) . Hier hat sich der Bericht leider auf die falsche Frage konzentriert, nämlich darauf, wer für dieses “Vorvorverfahren” verantwortlich sei. Dazu greift der Bericht zu einer eher amüsanten denn gehaltvollen Abwägung:
Für die Annahme, dass die „Vorermittlungen/Vorabklärungen“ zu den gerichtspolizeilichen Ermittlungen gehören und deshalb im Verantwortungsbereich der BA sind, spricht die Tatsache, dass
- der Bundesanwalt dazu eine Weisung erlassen hat,
- die BA über die formelle Eröffnung des gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens zu entscheiden hat und deshalb auch für die Erhebung des hiefür massgeblichen Sachverhaltes zuständig sein muss,
- es aufgrund der Weisung und in der Praxis „Vorermittlungen/ Vorabklärungen“ im Auftrag der BA gibt.
Für die Ansicht, dass für die „Vorermittlungen/Vorabklärungen“ allein fedpol zuständig ist, spricht demgegenüber, dass
- die Weisung „Vorermittlungen/Vorabklärungen“ ohne Auftrag der BA vorsieht,
- das Zentralstellengesetz einen gewissen Freiraum der Polizei vorsieht, wobei dieser aber nicht auf alle Bundesdelikte bezogen ist,
- in der Praxis rein faktisch ein solcher autonomer Bereich von fedpol besteht,
- die Tatsache, dass alle Daten aus diesem Verfahrensbereich im Informationssystem JANUS gespeichert sind, welches sich im Zuständigkeitsbereich der BKP befindet.
Ergebnis des Berichts zu dieser Frage ist folgende Empfehlung:
Die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen BA und BKP in Bezug auf Vorermittlungen/Vorabklärungen ist rasch zu klären, gesetzlich zu regeln und umzusetzen.
Vielleicht sollte man zuerst einmal regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solches “Vorvorverfahren” überhaupt zulässig ist, wie die Stellung der Beteiligten darin ist und wie es sich mit den Daten verhält, die aus diesem Verfahrensbereich in JANUS gespeichert werden. Das ist deshalb interessant, weil ein Betroffener von einem sochen Vorvorverfahren jedenfalls dann nichts erfährt, wenn später kein Ermittlungsverfahren eröffnet wird. Das “Vorvorverfahren” ist gleichsam so geheim, dass es nicht einmal geregelt werden darf.