Bernisches Bagatellstrafverfahren in extremis
Ein Verfahren im Kanton Bern lief – bisher – wie folgt ab:
- Staatsanwalt: Strafbefehl / Überweisung
- Regionalgericht: nebst Freisprüchen auch eine Verurteilung wegen Tierquälerei durch Unterlassen der fachgerechten Klauenpflege bei einem Schaf (4 Tagessätze zu CHF 80.00 bedingt, Verbindungsbusse CHF 80.00)
- Obergericht: Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils
- Bundesgericht: Aufhebung des obergerichtlichen Urteils / Rückweisung (BGer 6B_638/2019 vom 17. Oktober 2019)
- Obergericht: Gelegenheit an Generalstaatsanwaltschaft, Anklage gemäss Art. 329 Abs. 2 und Art. 333 Abs. 1 StPO zu ergänzen/zu berichtigen bzw. zu ändern/zu erweitern.
- Bundesgericht: Nichteintreten auf die Beschwerde des Beschuldigten (BGer 1B_109/2020 vom 09.03.2020)
- Generalstaatsanwaltschaft: Ergänzung bzw. Berichtigung der Anklageschrift
- Obergericht: Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils
- Bundesgericht: Aufhebung des obergerichtlichen Urteils / Rückweisung (BGer 1B_1216/2020 vom 11.04.2022, Fünferbesetzung)
- Obergericht: ??
Der Entscheid des Bundesgerichts vom 11. April 2022 ist bemerkenswert. Es hat das neue Urteil des Obergerichts kassiert, weil die Bindungswirkung des ersten Urteils des Bundesgerichts durch die Ergänzung und Berichtigung der Anklageschrift umgangen wurde (Verletzung des Anklagegrundsatzes):
Nachdem die Sache bereits einmal vor Bundesgericht beurteilt worden ist, muss auch die Rechtsprechung zur Bindungswirkung bundesgerichtlicher Rückweisungsentscheide berücksichtigt werden. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hätte die Vorinstanz nur dann einen Schuldspruch ausfällen dürfen, wenn sich dieser auf die ursprüngliche Anklage stützen liesse. Der Strafbefehl vom 20. Februar 2018, welcher zur Anklageschrift wurde, äusserte sich überhaupt nicht zum subjektiven Tatbestand und die Sachverhaltsdarstellung war ausschliesslich auf den äusseren Ablauf gerichtet (vgl. Urteil 6B_638/2019 vom 17. Oktober 2019 E. 1.6.1). Entsprechend bejahte das Bundesgericht auf Beschwerde hin eine Verletzung von Art. 350 Abs. 1 StPO und des Anklagegrundsatzes durch die Vorinstanz. Eine Anklageänderung bzw. -ergänzung geht vorliegend über das hinaus, was notwendig war, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen und ist nach einer Rückweisung durch das Bundesgericht aufgrund der Bindungswirkung nicht mehr zulässig (…). [E. 1.4].
Da ist wohl das eine oder andere durcheinander geraten. Welche Optionen hat das Obergericht denn nun noch?
ein SVP-Bürgerliches Obergericht zu “erwählen” um in Ruhe gelassen zu werden von dem Stadel zu Lausanne?
Bemerkenswert ist das Nichteintreten zwischen drin wo es ja zuletzt genau um die Fragestellung ging ob die Ergünzung der Anklage zulässig ist das BGE erkannte keine Eintretensvorausetzung für den Zwischenentscheid:“ Die Beschwerde gegen den vorliegend selbständig eröffneten Zwischenentscheid ist nur zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4) bewirken könnte (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde“
Nein so zustande kommender Schuldspruch war natürlich (welcher ja absehbar war, und das die Bindungswirkung damit Missachtet werden kann ebenfalls) kein nicht wieder gut zu machender Nachteil man kan ja ad absurdum Prozessieren, das wir nun nochmals am BGE kehren, ist auch keine wesentliche Einsparung von Zeit und Kosten.“
Schlicht lächerlich und nur noch Selbstzweck