Berufsgeheimnis bei “Mischmandaten”
Das Bundesgericht korrigiert einen Entscheid des Bundesstrafgerichts, welches einen Entsiegelungsantrag des EFD in einem Verwaltungsstrafverfahren (Verletzung der GwG-Meldepflicht) unter Hinweis auf den Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses abgewiesen hatte (BGer 1B_433/2017 vom 21.03.2018, Fünferbesetzung).
Der Entscheid zielt – einmal mehr – auf den Umfang des Berufsgeheimnisses, der auf anwaltstypische Tätigkeiten beschränkt sei. Insbesondere soll verhindert werden, dass Unternehmen Informationen unter den Schutz des Berufsgeheimnisses stellen können, indem sie Untersuchungen an Anwälte übertragen.
Das führt dann in der Praxis dazu, dass bei jedem einzelnen Dokument entschieden werden muss, ob es geschützt ist oder nicht. Das Bundesgericht nennt solche Mandate “Mischmandate”. Allein der Begriff ist ein Indiz dafür, dass die Überlegungen des Bundesgerichts nicht überzeugen können (ich kann mir kein Mandat vorstellen, das nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht auch ungeschützte Elemente enthält. Insofern gibt es nur Mischmandate. Das wäre ja dann aber ganz im Sinn des Bundesgerichts).
Zu den Mischmandaten:
Auch im vorliegenden Fall ist der Untersuchungsauftrag an die Anwaltskanzlei als “Mischmandat” zu qualifizieren. Es enthält neben rechtsberatenden Anteilen deutliche Merkmale eines nicht anwaltsspezifischen bankenrechtlichen Controlling und Auditing der von der Bank einzuhaltenden Compliance-Vorschriften im Bereich Geldwäschereiabwehr. Wie die Vorinstanz selber feststellt, haben die Anwälte den komplexen Sachverhalt in bezug auf die Geschäftstätigkeit der Bank mit der fraglichen Investment-Gesellschaft und ihren Kunden detailliert untersucht. Dabei wurden unter anderem 520’000 E-Mails und zahlreiche Telefonaufzeichnungen ausgewertet und diverse Bankmitarbeiter zu den verdächtigen Sachverhalten befragt. Ausserdem haben dieselben Anwälte die Einhaltung der in diesem Zusammenhang “massgeblichen bankrechtlichen Vorgaben (Aufsichtsrecht, Standesregeln, interne Weisungen etc.) ” geprüft und in ihren umfangreichen Berichten “die Massnahmen zur Behebung allfälliger Verletzungen bankrechtlicher Vorgaben oder sonstiger bankregulatorischer Mängel” erörtert (…). Dabei handelt es sich zumindest partiell um komplexe finanzwirtschaftliche Dienstleistungen im Sinne der dargelegten Lehre und Praxis (sowie des Rundschreibens 2017/1 der FINMA “Corporate Governance, Risikomanagement und interne Kontrolle bei Banken”, Rz. 81) [E. 4.16, Hervorhebungen durch mich].
Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz, es handle sich hier “zweifellos” und ausschliesslich um “klassische anwaltliche Rechtsberatung”, kann im Lichte der dargelegten Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht geteilt werden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb für komplexe interne Untersuchungen und Audits dieser Art (mit Befragungen von diversen Mitarbeitern und Auswertungen von zahlreichen Dokumenten, E-Mails und Telefonaten) notwendigerweise Anwaltskanzleien herangezogen werden müssten und weder bankinterne Rechts- und Controlling-Abteilungen noch spezialisierte externe Wirtschaftsprüfungs-, Revisions- und Auditingunternehmen den massgeblichen Sachverhalt ausreichend hätten abklären können (vgl. dazu oben, E. 4.6). Soweit es sich dabei nicht um berufstypische -etwa forensische, rechtsgeschäftsplanende oder rechtsberatende – anwaltliche Aufgaben handelt (die zwangsläufig dem Anwaltsgeheimnis unterstehen müssten), sind solche globalen Dienstleistungen im Rahmen von Mischmandaten (die auf dem Finanzdienstleistungsmarkt im Übrigen regelmässig aktiv beworben werden) grundsätzlich als akzessorische anwaltliche “Geschäftstätigkeit” einzustufen (E. 4.16, Hervorhebungen durch mich).
Endlich mal ein Entscheid, der den ausufernden Beizügen von Anwälten wenigstens in Bezug auf das Berufsgeheimnis einen Riegel schiebt. Leider ist es en vogue, jede noch so kleine innerbetriebliche Abklärung an überbezahlte Anwaltskanzleien im Raum Zürich zu delegieren. Eine Vielzahl solcher hochgelobten Abklärungen sind weder erforderlich noch liefern sie im Ergebnis klare und (für die Strafverfolgung) brauchbare Ergebnisse. Ich werde daher den Eindruck nicht los, dass sie in erster Linie der Maximierung der pseudo-anwaltlichen Einnahmen wegen erteilt und ausgeführt werden. Dass hier das BGer an der Schraube der beruflichen Schweigeplicht dreht, ist m.E. nur folgerichtig.
@Zaunkönig: Da haben Sie aber wenig verstanden. Es ist ja weiterhin niemand gezwungen, einen Anwalt zu mandatieren. Und verboten ist es auch (noch) nicht. Wenn man aber nicht mehr davon ausgehen kann, dass der Anwalt schweigen muss, macht er vielleicht wirklich keinen Sinn mehr (insofern haben Sie Recht). Dann übergibt man die Sache halt dem Treuhänder, der aber weder gratis arbeitet noch besser qualifiziert ist. Vielleicht hilft er aber gerade deshalb der Strafverfolgung besser als der Anwalt, der sie ja nur behindert. Anyway, Hauptsache keine Anwälte! Rechtskenntnis ist unerwünscht und schädlich.