Berufungsrecht verweigert

Die Strafjustiz, die durch die Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung bestimmt nicht mer zu tun hat, wird immer erfinderischer, wenn es darum geht, sich selbst zu entlasten. Dass dabei mithin das Bundesrecht arg strapaziert wird, hat das Bundesgericht einmal mehr feststellen müssen (BGer 6B_876/2013 vom 06.03.2014). Es wirft der Vorinstanz, die auf eine Berufung gegen einen Abwesenden nicht eintreten mochte,  nebst Verletzung des Strafprozessrechts auch Treuwidrigkeit vor.

Ob die Vorinstanz tatsächlich an ihre eigenen Argumente geglaubt hat, wage ich zu bezweifeln. Das Bundesgericht korrigiert sie jedenfalls deutlich:

2.4.1. Die Vorinstanz verletzt Bundesrecht, indem sie einen Rückzug der Berufung im Sinne von Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO bejaht, obwohl Advokat Markus Wick als amtlich bestellter, notwendiger Verteidiger an der Hauptverhandlung teilgenommen hat. Sie verkennt zudem, dass Art. 407 Abs. 1 lit a StPO im Falle notwendiger Verteidigung, die bis zum Abschluss des Rechtsmittelverfahrens zu gewähren ist (BGE 129 I 281 E. 4.3 S. 287), nicht zur Anwendung gelangen kann (Urteil 6B_37/2012 vom 1. November 2012 E. 4 mit Hinweisen). Bleibt die (amtliche) notwendige Verteidigung aus, wird die Verhandlung verschoben (Art. 336 Abs. 5 StPO i.V.m. Art. 405 Abs. 1 StPO). Ein Rückzug der Berufung lässt sich auch nicht damit begründen, der Verteidiger sei ohne Instruktion des Beschwerdeführers nicht zur Ergreifung eines Rechtsmittels berechtigt gewesen. Dies hätte allenfalls zu einem Nichteintreten nach Art. 403 Abs. 1 StPO führen können. Derartige Gründe haben weder die Vorinstanz noch die Beschwerdegegnerin oder Privatklägerinnen geltend gemacht. Die Vorinstanz hätte dem Verteidiger die Möglichkeit einräumen müssen, sich zur Frage der fehlenden Berufungslegitimation zu äussern. Die Vorinstanz verhält sich widersprüchlich und verstösst gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sie “in Kenntnis des Mangels der fehlenden Instruktion” das Mandat der amtlichen (notwendigen) Verteidigung fortführt und auf die Berufung eintritt, anschliessend jedoch eine wirksame prozessuale Vertretung der beschuldigten Person anlässlich der Berufungsverhandlung verneint. Der Verteidiger durfte davon ausgehen, für den Beschwerdeführer Berufung erheben und ihn an der Verhandlung vertreten zu können, nachdem die Vorinstanz sämtliche Verfahrenshandlungen ihm gegenüber vorgenommen und seine Vertretungslegitimation nie in Frage gestellt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine hinreichende prozessuale Vertretung des Beschwerdeführers an der Berufungsverhandlung nicht verneint werden.
2.4.2. Zudem ist der Beschwerdeführer mangels ordnungsgemässer Vorladung der Berufungsverhandlung nicht unentschuldigt im Sinne von Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO ferngeblieben.Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 6 EMRK und Art. 14 Abs. 3 lit. d UNO-Pakt II (SR 0.103.2) garantieren das Recht der beschuldigten Person, an der gegen sie geführten Hauptverhandlung teilzunehmen (vgl. zum Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung: BGE 129 I 361 E. 6.2; Urteil 6B_334/2013 vom 14. November E. 3.2; je mit Hinweisen). Dieses ist nur bei ordnungsgemässer Vorladung gewahrt. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz finden die Vorschriften über die Eröffnung von Entscheiden (Art. 84 ff. StPO) auch im Rechtsmittelverfahren uneingeschränkt Anwendung. Aus Art. 336 Abs. 1 lit. a StPO lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten (vgl. Art. 201 Abs. 1 lit. e StPO, Art. 205 Abs. 1 StPOund Art. 336 Abs. 1 lit. b StPO). Die mündliche Berufungsverhandlung richtet sich nach den Bestimmungen über die erstinstanzliche Hauptverhandlung (Art. 405 Abs. 1 StPO). Die Vorinstanz hätte versuchen müssen, dem Beschwerdeführer die Vorladung persönlich zuzustellen (Art. 87 Abs. 4 StPO). Wäre dessen Aufenthaltsort trotz zumutbarer Nachforschungen nicht zu ermitteln gewesen, hätte die Zustellung (ersatzweise) durch Veröffentlichung im kantonalen Amtsblatt erfolgen müssen (Art. 88 Abs. 1 StPO). Die Vorladung des Beschwerdeführers nur seinem Verteidiger zuzustellen, verletzt Bundesrecht.
Die Vorinstanz hatte sich wohl einfach verkalkuliert und darauf gezählt, dass das Bundesgericht nicht auf eine Beschwerde des “Verschollenen” aber immerhin Vertretenen eintreten würde. Der Anwalt verfügte über eine Vollmacht aus dem Jahr 2003.