Beschleunigungsgebot c. Lebensfreude
Selbst klare Verletzungen des Beschleunigungsgebots (hier eine mehrmonatige Überschreitung der Begründungsfrist nach Art. 84 Abs. 4 StPO) haben bisweilen keine Folgen (BGer 6B_249/2015 vom 11.06.2015). Das kann m.E. durchaus richtig sein. Ich bin aber überzeugt, dass das Bundesgericht unterschätzt, wie belastend selbst ein Bagatellstrafverfahren häufig empfunden wird, insbesondere wenn danach noch ein Administrativverfahren folgt, das existenzbedrohend sein kann.
Das Bundesgericht drückt seine Einschätzung wie folgt aus:
Insbesondere ist nicht anzunehmen, dass ein hängiges Strafverfahren wegen eines Strassenverkehrsunfalls, bei welchem keine Personen zu Schaden gekommen sind, zu einem Verlust an Lebensfreude und -qualität führt. Daran vermag auch ein allfällig aufgeschobenes Administrativverfahren nichts zu ändern. Von einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zwecks Neufestsetzung der Strafe ist abzusehen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass aufgrund der Verletzung des Beschleunigungsgebots eine Reduktion der (Einsatz-) Strafe angezeigt wäre, kann jedenfalls vorliegend auf eine Rückweisung verzichtet werden. Die Vorinstanz bezeichnet die vom erstinstanzlichen Gericht ausgefällte Strafe als sehr mild. Aufgrund der Bindung an das Verschlechterungsverbot war es ihr jedoch verwehrt, diese zu erhöhen (vgl. Urteil, S. 14 E. 5.7). Es ist daher zu erwarten, dass die Vorinstanz selbst bei einer (geringfügigen) Reduktion der Einsatzstrafe aufgrund der Verletzung des Beschleunigungsgebots keine tiefere Strafe aussprechen würde. Dies ist nicht zu beanstanden, zumal die Strafe im Ergebnis auch bei einer strafreduzierenden Berücksichtigung der Verletzung des Beschleunigungsgebots innerhalb des Ermessens der Vorinstanz liegt (vgl. Urteil 6B_980/2014 vom 2. April 2015 E. 2.4.3). Dass das Beschleunigungsgebot verletzt wurde, muss nicht im Urteilsdispositiv festgehalten werden (vgl. Urteil 6B_1036/2013 vom 1. Mai 2014 E. 3.4.3 mit Hinweis) [E. 2.6].