Beschränkte Teilnahmerechte

Erst dank des Kommentars von L. bin ich auf den ersten Teil des zuletzt angemerkten Bundesgerichtsentscheids (BGer 6B_128/2018 vom 08.02.2019) aufmerksam geworden. Es geht um die Teilnahmerechte im polizeilichen Ermittlungsverfahren und um die Frage, ob eine rechtswidrig durch die Polizei angeordnete Zwangsmassnahme die Untersuchung eröffnet.

Zu den Teilnahmerechten im polizeilichen Ermittlungsverfahren:

Die Parteien haben das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Die Anwesenheit der Verteidigung bei polizeilichen Einvernahmen richtet sich nach Artikel 159 (Art. 147 Abs. 1 StPO). Bei polizeilichen Einvernahmen der beschuldigten Person hat diese das Recht, dass ihre Verteidigung anwesend sein und Fragen stellen kann (Art. 159 Abs. 1 StPO). Die Parteien haben mithin kein Recht, bei Beweiserhebungen durch die Polizei, etwa bei polizeilichen Einvernahmen von Auskunftspersonen, anwesend zu sein (Umkehrschluss aus Art. 147 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft kann die Polizei auch nach Eröffnung der Untersuchung mit ergänzenden Ermittlungen beauftragen. Sie erteilt ihr dazu schriftliche, in dringenden Fällen mündliche Anweisungen, die sich auf konkret umschriebene Abklärungen beschränken (Art. 312 Abs. 1 StPO). Bei Einvernahmen, welche die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführt, haben die Verfahrensbeteiligten die Verfahrensrechte, die ihnen bei Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zukommen (Art. 312 Abs. 2 StPO). Daraus folgt, dass die Parteien das Recht haben, bei Einvernahmen, welche die Polizei nach Eröffnung der Untersuchung im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführt, Fragen zu stellen (Urteile 6B_217/2015 vom 5. November 2015 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 141 IV 423; 6B_854/2018 vom 23. Oktober 2018 E. 3.1 mit Hinweisen; vgl. STEFAN CHRISTEN, Anwesenheitsrecht im schweizerischen Strafprozessrecht mit einem Exkurs zur Vorladung, 2010, S. 70 und 190 ff.) [E. 2.2.2].

So weit so gut. Nun aber die Frage, welche Teilnahmerechte wann zur Anwendung kommen :

Die hier zur Diskussion stehenden Einvernahmen vom 21. respektive 28. Februar 2012 wurden nach den zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen im polizeilichen Ermittlungsverfahren und nicht im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchgeführt. Daran ändert die am 21. Februar 2012 erfolgte Blutentnahme nichts, da (auch) sie nicht von der Staatsanwaltschaft angeordnet wurde (vgl. Art. 309 Abs. 1 lit. b StPO) und als rechtswidrige Zwangsmassnahme zu Lasten des Beschwerdeführers unberücksichtigt blieb (Entscheid S. 17 f.; BGE 143 IV 313 E. 5.2 S. 314 f.). Offensichtlich ohne Grund beruft sich der Beschwerdeführer auf die Eröffnung der Untersuchung in Anwendung von Art. 309 Abs. 1 lit. c StPO. Eine schwere Straftat im Sinne von Art. 307 Abs. 1 StPO liegt nicht vor (vgl. SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, N. 1220). Auch die weiteren Rügen der Verletzung von Bundes- und Konventionsrecht sind unbegründet. So ist etwa unerheblich, wann die Polizei die ca. 1 ½ Stunden nach dem Vorfall beim Beschwerdeführer durchgeführte Blutentnahme in Auftrag gab. Im Übrigen ist es mit Blick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht erforderlich, dass sich die Vorinstanz mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich (wie auch das Bundesgericht) auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (BGE 143 III 65 E. 5.2 S. 70 f. mit Hinweisen). Deshalb war die Vorinstanz nicht gehalten, die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend die gegen B.B. ergangene Nichtanhandnahmeverfügung näher zu thematisieren (E. 2.2.2). 

Ich habe den Verdacht, dass ich nicht der einzige bin, dem das durchgerutscht ist. Das würde ja bedeuten, dass die Polizei die Eröffnung einer Untersuchung hinausschieben könnte, indem sie die notwendigen Zwangsmassnahmen selbst und damit rechtswidrig anordnet.

Nochmals herzlichen Dank an L.