Beschuldigte als Verfahrensobjekt?

Das Bundesgericht korrigiert die Strafbehörden des Kantons Zürich, welche einer prozessarmen Beschuldigten die amtliche Verteidigung abgesprochen hatten (BGer 1B_184/2010 vom 09.09.2010). Das Bundesgericht verhindert damit, dass die Beschwerdeführerin zum blossen Objekt des gegen sie geführten Verfahrens wird:

Aufgrund ihrer bescheidenen schulischen Bildung und sozialen Herkunft muss davon ausgegangen werden, dass sie mit Fragen des schweizerischen Rechts grundsätzlich überfordert ist. Zwar ist der ihr vorgeworfene Sachverhalt überschaubar, doch ist dessen rechtliche Würdigung – wie die einlässlichen Erwägungen des Bezirksgerichts (S. 19-38) dazu zeigen – geradezu komplex. Es geht namentlich um Fragen des intertemporalen Rechts (S. 18). Mit ihrer Berufung beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des bezirksgerichtlichen Entscheids. Sie rügt die Verletzung ihrer Verteidigungsrechte und macht die Unverwertbarkeit von Beweismitteln sowie Verjährung geltend. Ohne anwaltlichen Beistand ist die Beschwerdeführerin nicht in der Lage, derartige prozessrechtliche Rügen sachgerecht zu erheben und sie zu begründen. Soll sie nicht lediglich als Objekt, sondern als Subjekt am Rechtsmittelverfahren teilnehmen, ist sie auf anwaltliche Verbeiständung angewiesen (E. 2.4).

Der Entscheid ist zu begrüssen, zumal die Staatsanwaltschaft das erstinstanzliche Urteil an das Obergericht weitergezogen hat. Auch aus Gründen der Waffengleichheit erscheint eine amtliche Verteidigung in einem solchen Fall als zwingend.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen umschreibt das Bundesgericht wie folgt:

Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK gewährleistet dem Angeschuldigten im Strafprozess die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist (E. 2.3).