Beschwerde gegen abgewiesenen Beweisantrag
Ein Beschuldigter beantragt die Hausdurchsuchung bei einer Gesellschaft, die zur Unternehmensgruppe der Privatklägerin gehört. Die Staatsanwaltschaft weist ab und das Obergericht tritt auf die Beschwerde erwartungsgemäss nicht ein.
Das Bundesgericht tritt nun nicht nur ein, sondern heisst die Beschwerde sogar gut (BGer 7B_499/2024 vom 08.08.2024):
Die Vorinstanz wird im Rahmen ihres Verfahrens prüfen müssen, ob die vom Beschwerdeführer beantragte Hausdurchsuchung ohne Vorankündigung verhältnismässig ist, oder ob sich der vom Beschwerdeführer genannte Zweck, die Sicherung der Vereinbarung als Beweismittel, mit milderen Massnahmen wie beispielsweise einer Herausgabeverpflichtung nach Art. 265 StPO in Bezug auf die im früheren Büro des Beschwerdeführers gelagerten Akten bzw. die behauptete Vereinbarung erreichen lässt (E. 2.3).
Das Bundesgericht erkennt einen Rechtsnachteil i.S.v. Art. 394 lit. b StPO und schützt folgende Argumentation des Beschuldigten und Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe anlässlich seiner Einvernahme vom 1. Februar 2024 zu seiner Entlastung vorgebracht, es existiere für die Verfahrensgegenstand bildenden Geldüberweisungen eine schriftliche Vereinbarung aus dem Jahr 2004, welche sich in seinem Büro bei der C. AG, in U. befinde, und zwar im Schrank, wo die […]-Unterlagen abgelegt seien. Das Unterbleiben oder Verzögern der beantragten Hausdurchsuchung berge die Gefahr, dass die Privatklägerin die fraglichen Unterlagen verschwinden lasse oder vernichte. Entgegen der Vorinstanz habe er nicht ausgesagt, dass nur seine beiden ehemaligen Vorgesetzten, die zwischenzeitlich verstorben seien, von der Vereinbarung Kenntnis gehabt hätten. Dass die bestehenden Organe der involvierten Gesellschaften keine Kenntnis von einer derartigen Vereinbarung hätten, sei derzeit eine blosse Behauptung, die nicht bewiesen sei. Zudem habe er eine örtlich umfassende Hausdurchsuchung der Räumlichkeiten der C. AG, in U. und nicht bloss seines Büros beantragt.
Dem Bundesgericht ist in dieser Publikation ein Anonymisierungsfehler unterlaufen, der den Beweisantrag obsolet machen könnte.
Der oben angeführte BGE ist online momentan nicht verfügbar (22.8.2024, 16.21 Uhr, http://www.bger.ch): “Dieser AZA-Entscheid ist in elektronischer Form nicht verfXgbar.”
Sind die beantragte Hausdurchsuchung bzw. Herausgabeverpflichtung nach Art. 265 StPO nicht ohnehin schon obsolet, weil die betroffene Privatklägerin durch den BGE Bescheid weiss?
Was ja auch der Beschwerdeführer geltend macht: “Das Unterbleiben oder Verzögern der beantragten Hausdurchsuchung berge die Gefahr, dass die Privatklägerin die fraglichen Unterlagen verschwinden lasse oder vernichte.”
War diese Beschwerde also von vornherein wirkungslos?
Und warum muss der Beschwerdeführer überhaupt eine Hausdurchsuchung (bzw. eine Herausgabeverpflichtung nach Art. 265 StPO) beantragen, falls das genannte Beweismittel verfahrensrelevant ist (beweisbedürftig sind grundsätzlich alle Strafbarkeitsvoraussetzungen)?
Die Staatsanwaltschaft ist doch verpflichtet
– von Amtes wegen (ohne Antrag der Verfahrensparteien) relevante Beweismittel zu erheben (Untersuchungsgrundsatz Art. 6 Abs. 1 StPO; vgl. Art. 139 Abs. 1, 192 Abs. 1, Art. 196 Bst. a StPO) – sowie belastende und entlastende Umstände mit gleicher Sorgfalt zu untersuchen (Art. 6 Abs. 2 StPO).
Letzteres folgt auch aus der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK, Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 10 Abs. 1 StPO).
Was soll man aus der diesbezüglichen staatsanwaltlichen Untätigkeit schliessen?
@Herny Die Staatsanwaltschaft verhält sich so, weil sie keinerlei Konsequenzen zu befürchten hat.
Nach dieser „Steht ja im Gesetz“-Logik dürfte es auch keine Körperverletzungen oder Vergewaltigungen geben, denn es steht ja im Gesetz, dass dies verboten ist. Doch diese Gesetze bieten keinen unmittelbaren Schutz, sondern dienen dazu, dass das Gewaltmonopol seine (bzw. unsere) Moralvorstellungen durchsetzt, zum Beispiel durch Kompensation und/oder Bestrafung der Täter.
Ich parse alle neuen Urteile und parse normalerweise kein zweites Mal (checke nicht, ob sich in der Publikation etwas geändert hat) und speichere die Urteile dementsprechend ab.
Eventuell sollte ich uninformiert kindisch tun – sorry, mich ganz SH-‘staatsanwaltisch’ verhalten – und irgendjemanden bzw. niemanden informieren 😉 gleich mal 100x Leute in CC legen und lolcow yappen. Kommt immer gut an bei den Fans.
Leider sehe ich keinen Pseudonymisierungs-/Anonymisierungsfehler (oder lüge hier einfach, you will never know) in der ersten Publikation und auch auf bger.li sehe ich nichts, obwohl die – soweit ich vermute – Urteile auch nur einmal abholen gehen.
Finde den Fehler: “Diese Bestimmung dient dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung gemäss Art. 5 StPO. (…) Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die (…) Verlängerung des Verfahrens genügt nicht.”
«Dem Bundesgericht ist in dieser Publikation ein Anonymisierungsfehler unterlaufen, der den Beweisantrag obsolet machen könnte.»
Ich hatte – nicht am Bundesgericht – auch schon den Fall, dass ein einschlägiger Entscheid der Gegenpartei direkt zugestellt wurde, also bevor klar war, ob ein Rechtsmittel gegen einen ablehnenden Entscheid ergriffen wird. In diesem Fall kann man sich das Rechtsmittel natürlich sparen und im Wesentlichen noch prüfen, ob man ein Strafverfahren wegen Begünstigung initiieren möchte … ?????
Fehler können geschehen. Die Mitarbeiterin der Kanzlei liest das Urteil nicht durch, sondern folgt lediglich den Anweisungen (Kopie an/Mitteilung an) auf dem Urteil.
Darüber hinaus werden die Richter sowieso nicht zugeben, dass der Fehler vorsätzlich begangen wurde. Wenn es nicht bestreitbar sind, werden sie ihn als fahrlässig darstellen. Sie werden tausendundeins Rechtfertigungsgründe finden und gegebenenfalls erfinden, wie beispielsweise die “Unschuldsvermutung” oder das Fehlen von Hinweisen auf strafbares Verhalten der Gegenseite.
Richter und Staatsanwälte sind sowieso “unabhängig” und ausschliesslich der “Wahrheits”findung verpflichtet. Sie treffen ihre Entscheidungen nur anhand von Fakten/dem Sachverhalt und sind somit “völlig unvoreingenommen”. Empirisch kann die Justiz dies belegen:
– Attraktive Menschen kommen seltener ins Gefängnis,
– in Schweizer Gefängnissen beträgt der Ausländeranteil 71%, obwohl nur etwa 25% der Gesamtbevölkerung aus Ausländern besteht,
– Reiche Oberschicht wird weitaus häufiger freigesprochen
– Frauen werden generell häufiger freigesprochen als Männer.
Ironie beseite: Wenn jemand glaubt, dass es tatsächlich sowas wie einen fairen, unabhängigen (etc.) Richter gibt, dann sollte es doch auch faire, unabhängige Diktatoren geben. Ich höre innerlich schon die Gegenrufe: “Aber diese Unabhängigkeit ist auf die Parteien bezogen blabla… wir haben Gewaltentrennung blabla…” – aber das BGer kann nichtsdestotrotz Gesetze frei interpretieren (sogar die Verfassung) und dabei geltend machen, dass der Gesetzesgeber (*hust* Gewaltentrennung) es eigentlich ganz anders gemeint hatte 😉
Wie oft kommt es vor, dass die Verteidigung Zwangsmassnahmen gegen Kläger beantragt? Oder auch noch bekommt?