Betreibungsrecht v. Strafprozessrecht
Das Verhältnis zwischen Betreibungsrecht und Strafprozessrecht gibt immer wieder zu Fragen Anlass, zuletzt in einem heute publizierten Urteil des Bundesgerichts (BGer 6B_737/2020 vom 01.04.2021):
Im zu beurteilenden Fall hätte die Vorinstanz die mit Arrest belegten Schmuckgegenstände somit dem für den Vollzug des vollstreckungsrechtlichen Arrests zuständigen Betreibungsamt zur amtlichen Verwahrung herausgeben müssen (…). Über die Begründetheit allfälliger, dem vollstreckungsrechtlichen Zugriff des Gläubigers entgegenstehender Ansprüche Dritter am verarrestierten Vermögensgegenstand ist im Widerspruchsverfahren zu entscheiden (Art. 106 ff. SchKG; BGE 144 III 199 E. 5.1.1; Urteil 5A_1041/2017 vom 4. Februar 2019 E. 3.1). Wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt (…), hat die Vorinstanz mit der Anordnung, die Schmuckgegenstände dem Beschwerdegegner 2 herauszugeben, den Entscheid über das im Widerspruchsverfahren zu klärende bessere Recht an denselben vorweggenommen (E. 4).
Erfolgreiche Beschwerdeführerin war übrigens eine Hilfskonkursmasse, welche sich gegen die Herausgabe an eine Partei beschwert hat. Die beschlagnahmten und später freigegebenen Vermögenswerte waren für die Hilfskonkursmasse mit Arrest belegt.
Und immer wieder FlowTex… Da hat das Bundesgericht offensichtlich doch ein bisschen kalte Füsse bekommen ob seiner damaligen hyper-formalistischen Freisprüche wegen Geldwäscherei. Deutschland kannte ja – zur Tatzeit – keine eigentliche Einziehung zu Gunsten des Staates, sondern nur die Herausgabe an Geschädigte. Die Geldwäscherei soll aber angeblich bei Ausland-Vortaten nur die Vereitelung einer Einziehung im (Schweizer-)technischen Sinne unter Strafe stellen. Kennt das Ausland also keine unserem Recht entsprechende Einziehungsmechanik, sollen Erträge aus dem betreffenden Delikt bei uns auch nicht gewaschen werden können. Es würde mich ja wundernehmen, wie die GAFI diese Auslegung beurteilen würde. Der ratio legis dürfte sie kaum entsprechen und die Verteitelung der Herausgabe an Geschädigte dürfte genauso als Geldwäschereihandlung anzusehen sein. Aber nun denn, die Frage ist über diesen Fall hinaus kaum wirklich relevant.
Interessant ist aber auch, dass der ebenfalls vorinstanzlich verurteilte Anwalt Y. der Beschuldigten Z. vom Bundesgericht damals in einem separaten Beschwerdeverfahren (6B_1199/2018) geführt wurde, während die beiden anderen, inhaltlich identischen Verfahren von X. und Z. (6B_1208/2018 und 6B_1209/2018) vereinigt wurden.
Der mitbeschuldigte Anwalt Y. wiederum wird im ganzen Urteil von X. und Z. (s.a. BGE 145 IV 335) gar nicht erwähnt und es wird auch nicht auf sein Parallelverfahren verwiesen. Dies obschon Sachverhalte, an denen Y. gemäss seinem Urteil direkt beteiligt war (Kauf Villa, Beschlagnahme Diamantschmuck), im Urteil von X. undZ. ausgeführt werden.
Im Urteil von Y. hingegen werden die Rollen der Mitbeschuldigten X. und Z. ausführlich erwähnt und es wird auch explizit auf deren Parallelverfahren verwiesen. Diese Ungleichbehandlung hatte sicher nichts mit dem Berufsstand von Y. zu tun.
Jendenfalls taucht hier Y. plötzlich wieder als integraler und gemeinsam freigesprochener Mitbeschuldigter des damaligen Thurgauer Verfahrens auf, als wäre nichts gewesen, wenn auch etwas klobig hintenangestellt («X., Z. und Y.»), und es wird brav auf alle drei Verfahren verwiesen. Eine Richterin und der Gerichtsschreiber waren immerhin die gleichen wie in den ursprünglichen Verfahren, Zufall oder ein Versehen ist das also alles wohl nicht.
Und während man im früheren Geldwäschereiverfahren am gleichentags gefällten Urteil BGE 145 IV 351 (6B_1194/2018) dem OG Thurgau noch anerkennend auf die Schulter klopfte für die Feststellung, die Hilfskonkursmasse habe keine Parteistellung (Prozessgegenstand sei aufgrund einer – allerdings angefochtenen – Vereinbarung bereits anderweitig geregelt), ist man hier plötzlich wieder der gegenteiligen Meinung, ohne dabei weiter auf die Hintergründe einzugehen.
Wir sind jedenfalls gespannt auf den wohl unausweichlichen Bundesgerichtsentscheid aus dem Widerspruchsverfahren gegen das vom nach damaliger Rechtslage nicht einziehungsvereitelnden Anwalt Y. geltend gemachte Faustpfand am «Diamantcollier, Ring mit einem Diamanten zu 14.731 ct und zwei Lateraldiamanten zu 1.45 ct bzw. 1.42 ct sowie Diamantanhänger mit einem Diamanten zu 13.634 ct», welche er von Z., der Ex-Frau des in Deutschland zu 11.5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilten Betrügers X., «als Sicherheit» erhalten hat. Die 5 Milliarden DM Schaden müssen es uns wert sein.