Betrugsverfahren ohne (amtliche) Verteidigung

Für das Obergericht des Kantons Aargau ist selbst beim Vorwurf des Betrugs eine amtliche Verteidigung nicht geboten. Einfach Fälle wie Betrug kann man also selbst und auch ohne juristische Kenntnisse verteidigen. Das Bundesgericht bestätigt diese Auffassung, kassiert den Entscheid aber dennoch, weil das Obergericht nicht erkannte, dass es sich nicht um einen Bagatellfall, sondern um einen relativ schweren Fall handelte (BGer 1B_344/2015 vom 11.02.2016). Es hätte dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege für die Beschwerde nicht wegen Aussichtslosigkeit absprechen dürfen.

Damit zeigt das Bundesgericht, dass selbst professionelle Richter bisweilen Fehlentscheide produzieren, die kassiert werden müssen. Unter diesen Umständen erscheint es als wenig verständlich, einem Laien zuzutrauen, sich selbst wirksam in einem Betrugsverfahren verteidigen zu können.

Das Bundesgericht stützt seinen Entscheid auf folgende Erwägung und widerlegt sich damit m.E. gleich selbst:

Dieser Betrugstatbestand kann zwar in rechtlicher Hinsicht schwierige Fragen aufwerfen, denen ein Laie von vornherein nicht gewachsen ist. Vorliegend sind solche jedoch nicht erkennbar. Trifft der Tatvorwurf zu und hat der Beschwerdeführer im Wissen darum, dass die Arbeitslosenkasse ihm die Arbeitslosenentschädigung aufgrund der von ihm ausgefüllten Formulare ohne weitere Überprüfung auszahlen würde, diese vorsätzlich falsch ausgefüllt in der Absicht, eine überhöhte Arbeitslosenentschädigung erhältlich zu machen, ist der Betrugstatbestand von Art. 146 Abs. 1 StGB wohl ohne weiteres erfüllt. Gelingt es dem Beschwerdeführer jedoch, einem der Tatbestandselemente die tatsächliche Grundlage zu entziehen, liesse sich damit auch der Betrugsvorwurf nicht aufrechterhalten. Zur Erhebung solcher sachlicher Einwände, wie im obenstehenden Abschnitt beispielhaft angeführt, braucht es keine besonderen juristischen Kenntnisse, über die der Beschwerdeführer nicht verfügt (E. 2.3).

Sowas kann nur behaupten, wer selbst nie einen Betrugsvorwurf wirksam verteidigt hat.

Bestätigt hat das Bundesgericht im Übrigen, dass die notwendige Verteidigung nur vorliegt, wenn eine Freiheitsstrafe droht:

Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang bisher nur entschieden, dass bei der Prüfung der Frage, ob ein Beschuldigter  notwendig zu verteidigen sei, weil ihm eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr droht (Art. 130 lit. b StPO), die Widerrufsmöglichkeit bedingter Freiheitsstrafen, nicht aber diejenige bedingter Geldstrafen mitzuberücksichtigen ist (Urteil 1B_444/2013 vom 31. Januar 2014 E. 2, in: Pra 2014 Nr. 61 S. 456). Es hat dabei erwogen, es erscheine plausibel, dass der Gesetzgeber die notwendige Verteidigung nur für die schwerste Sanktionsart – die Freiheitsstrafe – habe vorsehen wollen, nicht aber für Geldstrafen; hätte er diesbezüglich Freiheitsstrafe, Geldstrafe und gemeinnützige Arbeit gleichstellen wollen, hätte er dies durch eine entsprechende Formulierung von Art. 130 lit. b StPO leicht tun können. Genau dies hat der Gesetzgeber in Art. 132 Abs. 3 StPO betreffend die  amtliche Verteidigung und den Bagatellfall getan. Nach dieser Bestimmung kann nicht nur eine Freiheitsstrafe, sondern auch eine hohe Busse oder langdauernde gemeinnützige Arbeit den Rahmen des Bagatellfalles sprengen. Insofern ist folgerichtig für die Abgrenzung des Bagatellfalls vom relativ schweren Fall die Widerrufsmöglichkeit dieser drei Strafarten miteinzubeziehen (E. 2.2).