Betrugsverfahren ohne Verteidigung?

In einem Verfahren wegen Verdachts des Sozialhilfebetrugs wurde einer Beschuldigten die amtliche Verteidigung zu Unrecht verweigert. Das Bundesgericht beurteilt die konkreten Umstände und setzt direkt die amtliche Verteidigerin ein (BGer 1B_263/2013 vom 20.11.2013).

Es weist auch auf die Gefahr hin, dass Teile des Vorverfahrens wegen ungenügender Verteidigung zu wiederholen seien.

Im vorliegenden Fall wird weder ein Bagatelldelikt (im Sinne von Art. 132 Abs. 2-3 StPO) untersucht, noch droht der Beschuldigten eine besonders schwere Sanktion im Sinne der dargelegten Rechtsprechung. Insbesondere werfen ihr die kantonalen Instanzen keinen gewerbsmässigen Betrug (Art. 146 Abs. 2 StGB) vor. Damit ein gesetzlicher Anspruch auf amtliche Verteidigung besteht, müssen daher zur relativen Schwere des vorliegenden Falles besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen die Beschuldigte – auf sich allein gestellt – nicht gewachsen wäre (Art. 132 Abs. 2 StPO). Die kantonalen Instanzen bestreiten nicht, dass die Beschwerdeführerin erst seit knapp zwei Jahren in der Schweiz lebt und fast kein Deutsch spricht. Sie legt dar, dass sie in der Türkei aufgewachsen sei, dort lediglich die Grundschule besucht und keine Berufsausbildung erhalten habe. Entgegen den unzutreffenden Erwägungen der Vorinstanz besitze sie im Übrigen auch kein Schweizer Bürgerrecht, sondern lediglich eine Aufenthaltsbewilligung B. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall nicht nur der inkriminierte Sachverhalt streitig ist, sondern auch dessen strafrechtliche Subsumtion als Betrug. Entgegen der Ansicht der kantonalen Instanzen erscheint die rechtliche Abgrenzung zwischen arglistiger Täuschung und (allenfalls strafloser) einfacher Lüge bzw. Falschdeklaration gerade bei Fällen von mutmasslichem Sozialfürsorgebetrug nicht ohne Weiteres problemlos (vgl. zur amtl. Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichtes 6B_750/ 2012 vom 12. November 2013 E. 2). Gemäss den Erwägungen der Vorinstanz beruht der Betrugsvorwurf hier auf der (zivilrechtlichen) Argumentation, die Beschuldigte habe Anspruch auf familienrechtliche Unterstützung (durch den Vater ihres Kindes) gehabt, was sie gegenüber der Sozialfürsorgebehörde verschwiegen habe. In diesem Zusammenhang dürften sich diverse Beweiserhebungen (etwa zur Abklärung der tatsächlichen Lebensverhältnisse der Beschuldigten) aufdrängen. Auch das Argument, der untersuchte Betrugsfall sei “derzeit” noch nicht komplex, vermag hier nicht zu überzeugen. Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, dass eine wirksame Wahrung der Verteidigungsrechte (jedenfalls in untersuchten Betrugsfällen wie dem vorliegenden) regelmässig voraussetzt, dass schon im Anfangsstadium des Strafprozesses eine ausreichende juristische Verbeiständung gewährleistet ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtes 1B_195/ 2012 vom 7. Mai 2012 E. 2.3). Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – Zwangsmassnahmen gegen die beschuldigte Person verfügt wurden. In Nachachtung des Beschleunigungsgebotes in Strafsachen (Art. 5 Abs. 1 StPO) und der Prozessökonomie ist denn auch vorausschauend möglichst zu vermeiden, dass Teile des Vorverfahrens allenfalls wiederholt werden müssten, weil die beschuldigte Person nicht ausreichend verteidigt war (E. 4.5).

Teilweise schwer verständlich und an Zynismus grenzend ist die Begründung der Vorinstanz, welche das Bundesgericht wie folgt zusammenfasst:

Auch einer in finanziellen Belangen nicht versierten beschuldigten Person sei es “ohne Weiteres zumutbar”, ohne anwaltliche Verbeiständung am Strafverfahren teilzunehmen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin erst seit ca. zwei Jahren in der Schweiz lebe. Da sie “Schweizer Bürgerin” sei, dürfte sie mit den Grundzügen des hiesigen Rechtssystems vertraut sein. Überdies entspreche das ihr vorgeworfene Verhalten “auch in anderen Ländern nicht der Vorstellung eines moralisch korrekten Verhaltens”. Der Einwand, die Beschwerdeführerin sei der deutschen Sprache nicht mächtig, führe zu keiner anderen Einschätzung, da für eine ausreichende Übersetzung der wesentlichen Verfahrensvorgänge gesorgt sei. Die Gefahr, dass sich im Laufe des Verfahrens “Weiterungen” ergeben könnten, bestehe nicht. Ebenso wenig seien hier besondere Schwierigkeiten rechtlicher Natur erkennbar (E. 2).