Beugehaft für partielle Zeugnisverweigerung?

Das Bundesgericht weist die Beschwerde gegen ein abgewiesenes Ablehnungsbegehren ab. Anlass für den Befangenheitsantrag gaben die Erwägungen zum Zeugnisverweigerungsrecht eines als Zeugen einzuvernehmenden Journalisten (BGer 1B_216/2010 vom 14.10.2010).

Der Beschwerdeführer (ein erstinstanzlich wegen Amtsgeheimnisverletzung verurteilter Polizist) stellte der Vorinstanz den Antrag, ein Journalist sei als Zeuge zu befragen. Der Zeuge werde bestätigen können, dass er die inkriminierten Informationen nicht vom Beschwerdeführer erhalten habe. Hinsichtlich der Herkunft der Dokumente werde er sich aber nach wie vor auf den Quellenschutz berufen.

Dies passte der Vorinstanz offensichtlich nicht. Sie teilte den Parteien und dem Zeugen mit, das Zeugnisverweigerungsrecht von Medienschaffenden gelte zwar umfassend, ebenso umfassend sei aber auch ein allfälliger Verzicht. Sich grundsätzlich zur Aussage zu entschliessen und dann doch die Beantwortung einzelner Fragen zu verweigern, sei mithin nicht möglich. Entsprechend sei auch ein einmal erklärter Verzicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht verbindlich und könne nicht widerrufen werden. Sollte sich der Journalist zur Aussage entschliessen, würde er also nicht nur die von ihm selektiv ausgewählten Fragen im Zusammenhang mit dem Angeklagten zu beantworten haben, sondern auch alle weiteren namentlich direkten Fragen nach dem Informanten. Eine allfällige ungerechtfertigte Verweigerung von Aussagen würde Folgen gemäss §§ 133 ff. der Strafprozessordnung vom 4. Mai 1919 des Kantons Zürich (StPO/ZH; LS 321) nach sich ziehen (Vorführung, Beugehaft, nach entsprechender Androhung Überweisung an den Strafrichter wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung, Kostentragung). Nur partielle Aussagen wären sodann – mangels Überprüfbarkeit – mit einem Vorbehalt hinsichtlich deren Glaubhaftigkeit zu versehen. Falsche Aussagen würden schliesslich nach Art. 307 StGB geahndet.

Diese Erwägungen führte zum (verständlichen) Ablehnungsantrag der Beteiligten, dessen Abweisung das Bundesgericht bestätigt:

Die I. Strafkammer vertritt im Beschluss vom 9. Februar 2010 die Auffassung, lediglich teilweise Aussagen des Journalisten wären unzulässig. Dies mag diskutabel erscheinen. Wie es sich damit verhält, braucht hier jedoch nicht vertieft zu werden. Die von der I. Strafkammer geäusserte Auffassung stellt jedenfalls keinen besonders krassen Irrtum dar, der als schwere Verletzung der Richterpflichten beurteilt werden müsste. Der Beschwerdeführer macht dies auch nicht substanziiert geltend. Insoweit ergibt sich deshalb im Lichte der dargelegten Rechtsprechung bei objektiver Betrachtung kein Anschein der Befangenheit (E. 2.3).

Weiter führt das Bundesgericht aus, die Vorinstanz erwäge im Grunde nur Naheliegendes. Mangels Preisgabe der Quelle sei die Glaubhaftigkeit der Aussage des Journalisten, er habe die fraglichen Dokumente nicht vom Beschwerdeführer erhalten, nicht überprüfbar.

Die I. Strafkammer sagt im Übrigen nicht, die Angaben des Zeugen wären bei einer lediglich teilweisen Aussage schlechthin unglaubhaft. Sie formuliert zurückhaltender, es wäre insoweit mangels Überprüfbarkeit ein Vorbehalt hinsichtlich der Glaubhaftigkeit anzubringen. Dies trifft nach dem Gesagten zu, weshalb sich daraus bei objektiver Betrachtung kein Anschein der Befangenheit ergibt (E. 2.3).

Der Beschwerdeführer hat bestimmt mit eben diesem Ausgang des Beschwerdeverfahrens gerechnet. Taktisch war sein Vorgehen m.E. aber dennoch sehr clever. Es dürfte ihm nämlich gelungen sein, ernsthafte Zweifel an der Schuld seines Klienten zu wecken. Auch wenn sich der Zeugen angesichts der Rechtsbelehrungen der Vorinstanz nun umfassend auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen wird, dürfte der Vorinstanz kaum noch etwas anderes bleiben als den Beschwerdeführer wegen nicht zu unterdrückender Zweifel an seiner Schuld freizusprechen.

Ob im Übrigen die Rechtsauffassung der Vorinstanz zum partiellen Zeugnisverweigerungsrecht richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Ich wüsste jedenfalls nicht, wie man begründen könnte, dass ein Zeugnisverweigerungsberechtigter nicht selbst bestimmen könne, inwieweit er auf sein Recht verzichten möchte. Wer einen Zeugen so belehrt wie es die Vorinstanz getan hat, bringt doch letztlich nur zum Ausdruck, dass sie den Zeugen jedenfalls so wie es angekündigt wurde nicht hören will. Damit schneidet sie dem Beschwerdeführer aber vom wirksamsten und vielleicht einzigen Entlastungsbeweis ab. Dieses Argument kann die Vorinstanz nur noch durch einen Freispruch Lügen strafen.