(Bewaffnet) mitgegangen, (aber doch nicht) mitgefangen

Das Bundesgericht spricht einen kantonal als Gehilfen (Gehilfenschaft zu mehrfacher, teilweise versuchter vorsätzlicher Tötung) zu einer Freiheitsstrafe von über vier Jahren verurteilten Mann frei (BGer 7B_284/2022 vom 08.02.2024). Er hat einen geladenen Revolver zu einer Auseinandersetzung mitgeführt und ihn sich abnehmen lassen, nachdem er einen (erfolgreichen) Warnschuss in die Luft abgegeben hatte. Danach hat der Täter mit dem Revolver die Tötungsdelikte begangen:

Es trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer 1 dann vor Ort den ersten Schuss – in die Luft – abfeuerte. Indes scheint sich die Vorinstanz erneut zu widersprechen, wenn sie ausführt, es sei eine allgemein bekannte Tatsache, dass Schusswaffen in hochemotionalen Streitigkeiten nicht für mehr Sicherheit sorgen, sondern das Geschehen in hochriskanter Weise auf Messers Schneide bringen würden: “Entweder die Kontrahenten flüchten, oder es kommt zu einer tödlichen Eskalation”. Jedenfalls war es ja gerade so, dass diese Handlung des Beschwerdeführers 1 zur Flucht der Kontrahenten und damit zum (einstweiligen) Ende des Streits geführt hat. Der Beschwerdeführer 1 sagte denn auch aus, “ich nahm die Waffe dann hervor und schoss direkt nach oben in die Luft. Danach kam B. und nahm mir die Waffe weg. Ich wollte niemanden umbringen”. “Ich dachte, es sei vorbei. Nachdem ich geschossen hatte, wollte ich den Revolver wieder in meine Jacke nehmen. Er nahm mir dann die Waffe weg. Niemand rechnete damit, dass er damit schiessen würde”. Inwiefern die Abgabe des Warnschusses durch den Beschwerdeführer 1, geschweige denn das Entreissenlassen der Waffe durch den Beschwerdeführer 2 einen (Eventual-) Vorsatz des Beschwerdeführers 1 auf Gehilfenschaft zur (versuchten) Tötung der notabene unbewaffneten, hernach flüchtenden Kontrahenten durch den Beschwerdeführer 2 manifestieren sollte, erhellt nicht. Wohlgemerkt erwog auch die Vorinstanz, “insbesondere das Verhalten der Mitbeteiligten, welche in derselben aufgeregten Gemütslage waren, zeigt exemplarisch, dass es natürlich auch in solchen Situationen problemlos möglich ist, nicht auf fliehende Gegner zu schiessen”. 

Unter diesen Umständen drängte sich für den Beschwerdeführer 1 durch die Mitnahme der Waffe die Verwirklichung der Gefahr, dass der Beschwerdeführer 2 im Zuge einer Auseinandersetzung die Waffe von ihm behändigen und in der Folge einen flüchtenden Kontrahenten – ohne Rechtfertigung – erschiessen würde, als nicht so wahrscheinlich auf, dass die Bereitschaft, sie als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden könnte und müsste. Mithin leistete der Beschwerdeführer 1 hinsichtlich der Tötung von C. sel. bzw. versuchten Tötung von D. keinen (eventual-) vorsätzlichen Tatbeitrag (E. 6.4, Hervorhebungen durch mich).

Das nenne ich einen Riesenerfolg für die Verteidigung. Sie hat ihrem Mandanten (und den Vollzugsbehörden und dem Steuerzahler) eine in Verletzung von Bundesrecht ergangene mehrjährige Freiheitsstrafe erspart; dies, obwohl ihr für die Beschwerde die gesetzliche Frist von lächerlichen 30 Tagen zur Verfügung stand, die vermutlich wie üblich ohne Vorankündigung zu laufen begann; dies mitten in einer mit Fristen und Verhandlungsterminen bereits gut gefüllten Agenda.