Bewegungsgeschwindigkeiten von Frauen im Alter zwischen 75 und 80 Jahren

Ein falsch interpretiertes “Kurzgutachten über Bewegungsgeschwindigkeiten von Frauen im Alter zwischen 75 und 80 Jahren” hat zu einem kantonalen Fehlurteil geführt, welches das Bundesgericht auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg hin nun korrigiert (BGer 6B_377/2007 vom 06.02.2008), und zwar letztlich indem es den festgestellten Sachverhalt korrigiert.

Die Vorinstanzen verurteilten eine Automobilistin (Beschwerdegegnerin), welche eine 79-jährige Fussgängerin auf einem Fussgängerstreifen erfasst hatte, zu Unrecht bloss wegen einfacher Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Ziff. 1 SVG):

Die Vorinstanz erachtet die Verkehrsregelverletzung der Beschwerdegegnerin als nicht schwer insbesondere mit der Begründung, dass die Fussgängerin unvermittelt, ohne anzuhalten und nach links und rechts zu schauen auf die Strasse getreten sei. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht bemängelt, hat die Vorinstanz damit eine unzulässige Schuldkompensation vorgenommen (E. 2.3).

Entscheidend war, dass die Beschwerdegegnerin konkrete Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Fussgängerin haben musste und sich daher nicht auf das Vertrauensprinzip berufen konnte:

Ob es sich um alte Leute im Sinne von Art. 26 Abs. 2 SVG handelt, ist zwar nicht immer leicht erkennbar. Angesichts der kleinen Körpergrösse, verbunden mit der Kopfhaltung der Fussgängerin hätte die Beschwerdegegnerin aber bei genügender Aufmerksamkeit erkennen können und müssen, dass es sich bei der Fussgängerin um eine alte Person handelte. Auch deshalb war die Beschwerdegegnerin ihr gegenüber zu besonderer Vorsicht verpflichtet. Als Folge dieser Pflicht bleibt ihr eine Berufung auf das Vertrauensprinzip grundsätzlich verwehrt, selbst wenn keine konkreten Anzeichen vorlagen, dass sich die Fussgängerin nicht korrekt verhalten würde (E. 2.7).

Damit hätte es das Bundesgericht m.E. bewenden lassen können. Hingegen bemühte es eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanzen:

Unter Hinweis auf ein Kurzgutachten über Bewegungsgeschwindigkeiten von Frauen im Alter zwischen 75 und 80 Jahren erwägt der Vize-Polizeirichter, “um die Strecke bis zum Kollisionspunkt zurückzulegen, brauchte das Unfallopfer gemäss Weg-Zeit-Diagramm 3,3 Sekunden, wenn es “schnell” ging und ohne vorher angehalten zu haben” bzw. “benötigte die Fussgängerin 3,3 Sekunden vom Moment an, als sie den Fussgängerstreifen betrat und bis sie zur Kollisionsstelle gelangte” (…). Letztere Feststellung ist offensichtlich unrichtig (Art. 105 Abs. 2 BGG). Das erwähnte Kurzgutachten schlüsselt die Bewegungsgeschwindigkeiten in “gehen”, “schnell gehen”, “laufen” und “rennen” auf. Die 3,3 Sekunden entsprechen der Zeitspanne vom Zeitpunkt, als die Beschwerdegegnerin die Fussgängerin erblickte, bis zur Kollision (act. 14). Unbestrittenermassen sah die Beschwerdegegnerin die Fussgängerin erst, als diese den Fussgängerstreifen bereits betreten und damit einen Teil der 4,4 m vom linken Fahrbahnrand bis zur Unfallstelle zurückgelegt hatte. Standen ihr aber 3,3 Sekunden zur Verfügung, um weniger als 4,4 m zurückzulegen, lag ihre Bewegungsgeschwindigkeit irgendwo zwischen “gehen” und “schnell gehen”. Mit anderen Worten ist die Bewegungsgeschwindigkeit der Fussgängerin im langsameren Bereich anzusiedeln. Hinzu kommt, dass sich Frauen im Alter zwischen 75 – 80 Jahren langsamer fortbewegen als jüngere Fussgänger (E. 2.8. Hervorhebungen durch mich).

Ich frage mich, ob sich das Bundesgericht auf Beschwerde einer Beschuldigten hin in solche m.E. erst noch unnötigen “Sachverhaltsniederungen” begeben und Art. 105 Abs. 2 BGG anwenden würde.