Beweisbeschluss nach Urteilseröffnung
Das Bezirksgericht Laufenburg hat die Entsiegelung eines von einer Anwaltsfirma erstellten bankinternen Berichts beschlossen, nachdem es bereits das Urteil in der Sache gefällt und eröffnet hatte. Vor seinem Urteil hatte es bewusst auf die Entsiegelung verzichtet (BGer 1B_7/2017 vom 19.06.2017).
Das Bundesgericht qualifiziert das Vorgehen des Bezirksgerichts, welches sich auf Art. 248 Abs. 3 lit. b StPO stützten wollte, als “abwegig”.
Der von der Vorinstanz mit ihrem “nachträglichen” Beweisbeschluss eingeschlagene prozessuale Weg widerspricht nicht nur den Zuständigkeits- und Beweiserhebungsregeln der StPO, er erweist sich auch sachlich als abwegig. Das erstinstanzliche Gericht sowie (auf Beschwerde hin) das Bundesgericht würden nach Abschluss des Hauptverfahrens noch “auf Vorrat” über Beweisfragen für das Berufungsverfahren befinden.
Eine entsprechende Auslegung von Art. 248 Abs. 3 lit. b StPO wäre in mehrfacher Hinsicht stossend: Erstens hat das Berufungsgericht grundsätzlich über Fragen der Beweisverwertung im allfälligen Berufungsverfahren zu entscheiden, nicht die Vorinstanz (Art. 389 und Art. 398 ff. StPO). Zweitens würde über solche Beweisfragen – wie hier – mit grossem Prüfungsaufwand entschieden, noch bevor klar wäre, ob überhaupt Berufung angemeldet und erklärt wird (Art. 399 StPO) und ob das fragliche Rechtsmittel zulässig ist (Art. 403 StPO). Eine solche gerichtliche Prüfung von Beweisverwertungsfragen “auf Vorrat” und über mehrere Instanzen wäre auch mit dem Anliegen der Verfahrenseffizienz und Verfahrensökonomie nicht zu vereinbaren. Und schliesslich würde damit, wie der vorliegende Fall zeigt, der Rechtsunsicherheit Vorschub geleistet, da für die Parteien (zumindest in der Prozessphase zwischen erstinstanzlicher Urteilsfällung und schriftlicher Urteilsbegründung) unklar bliebe, ob der “nachträgliche” Beweisbeschluss des Strafgerichtes noch für das erstinstanzliche Urteil oder “nur” für ein allfälliges Berufungsverfahren Wirkung entfalten sollte. Die Vorinstanz sah sich denn auch gezwungen, in ihrer Stellungnahme im Beschwerdeverfahren zu erklären, warum sie ihren nachträglichen Beweisbeschluss erliess und welche Wirkung er ihrer Ansicht nach haben könnte. Weshalb sich aus Gründen der “Chancen- und Waffengleichheit” hier ein von den gesetzlichen Bestimmungen abweichendes Vorgehen aufdrängen sollte, wird von der Vorinstanz nicht dargelegt.
Art. 248 Abs. 3 lit. b StPO ist folglich in der Weise auszulegen, dass das erstinstanzliche Strafgericht nur bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Beweisverfahrens für Entsiegelungsentscheide und andere Beweisbeschlüsse zuständig ist; danach geht die Zuständigkeit (vorbehältlich einer zulässigen Berufung) auf das Berufungsgericht über. Entsiegelungsentscheide, die erst nach Abschluss des erstinstanzlichen Beweisverfahrens gefällt wurden, können für das abgeschlossene Hauptverfahren und das erstinstanzliche Urteil überdies keine Wirkungen mehr entfalten.
Ein sehr kreativer Ansatz, den das Gericht da gewählt hat, um die Verhandlung nicht verschieben zu müssen, aber eigentlich auch offensichtlich, dass es so nicht gehen kann…