BGG-Prozessfalle
Wer im Berufungsverfahren einen Beweisantrag stellt, kann ihn bei Abweisung durch die Verfahrensleitung anlässlich der Berufungsverhandlung wiederholen. Wiederholt man ihn nicht, kann man sich vor Bundesgericht nicht auf Verletzung seines Gehörsanspruchs berufen.
Das Bundesgericht tritt daher auf eine entsprechende Rüge mangels Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs nicht ein (BGer 6B_1068/2017 vom 28.06.2018).
Die Verfahrensleitung der Vorinstanz lehnte diesen Beweisantrag bereits vor der Berufungsverhandlung am 21. Dezember 2016 ab (…). Gemäss Art. 331 Abs. 3 StPO können abgelehnte Beweisanträge an der Hauptverhandlung erneut gestellt werden. Diese Bestimmung gilt auch im Berufungsverfahren (Art. 405 Abs. 1 StPO). Der Beschwerdeführer unterliess es, seinen Beweisantrag anlässlich der Berufungsverhandlung zu wiederholen (…). Auf die Rüge ist mangels Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs nicht einzutreten (Art. 80 Abs. 1 BGG; Urteil 6B_811/2017 vom 23. März 2018 E. 1.5) [E. 2.6.1].
Der nächste Schritt ist dann wohl, dass man abgewiesene Beweisanträge vor Abschluss des Beweisverfahrens nochmals stellen muss.
Positiv zu erwähnen bleibt, dass solche Entscheide in aller Deutlichkeit zeigen, dass es im Strafprozess nicht um die Ermittlung der materiellen Wahrheit gehen kann. Ein entlastendes Beweismittel ist unbeachtlich, wenn es nicht oder nicht rechtzeitig in den Prozess eingebracht wird. Das ist sozusagen die Kehrseite der unverwertbaren Belastungsbeweise (wobei letztere nur zuungunsten der Beschuldigten unverwertbar sind).
„kann man sich nicht vor Bundesgericht nicht auf Verletzung seines Gehörsanspruchs berufen.“ Ist da nicht ein „nicht“ zu viel?
Danke Malo. Ein nicht zu viel ist kein nicht mehr, also habe ich ein nicht gelöscht, damit es wieder ein nicht ist.
Artikel 331 Abs 2 StPO, auf den sich das Gericht bei seinem Nichteintreten in E2.6.1 stützt, gilt nur für erstinstanzliche Hauptverfahren (vgl den gleichlautenden 7. Titel). Die Vorinstanz, das Obergericht des Kantons Zug, war aber keine erste Instanz, sondern eine zweite (nach dem Strafgericht des Kantons Zug, vgl SV B).
Abs 3
Art 405 Abs 1 StPO, der ebenfalls zitiert wird, dehnt zwar dem Wortlaut nach „[die] Bestimmungen über die erstinstanzliche Hauptverhandlung“ auf die mündliche Berufungsverhandlung aus. Dass dies eine nichteintretensbewehrte Pflicht bedeutet, abgelehnte Beweisanträge vor der gleichen Instanz, vor der man sie bereits vorgebracht hatte, erneut vorzubringen, ist fraglich. Denn dies würde heissen, dass man einen Beweisantrag, der bereits drei mal von einem Gericht geprüft und abgelehnt worden ist (zweimal erstinstanzlich und einmal zweitinstanzlich), ein viertes Mal stellen muss, damit er überhaupt gehört wird.
Das Urteil 6B_811/2017 vom 23. März 2018 E. 1.5, auf das sich das Gericht stützt, hat diesen Pflicht zwar zunächst auch erwogen, sie aber danach ausdrücklich offengelassen (mit „Quoi qu’il en soit, …“).