Blosses Schweigen schützt vor Strafe nicht
Das Bundesgericht bestätigt die Verurteiltung des Halters eines Porsches wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln (BGer 6B_571/2009 vom 28.12.2009). Das Bundesgericht beruft sich dabei auf die
allgemein anerkannte Praxis, dass Schweigen die Annahme der Täterschaft nicht ausschliesst, wenn diese nicht zweifelhaft ist (E. 3.1)
Aus der Rechtsprechung des EGMR (15809/02 and 25624/02, O’Halloran and Francis c, UK vom 29.06. 2007)
ergeben sich nach der neueren bundesgerichtlichen und konventionsrechtlichen Rechtsprechung für Halter und Lenker von Motorfahrzeugen aus ihrer Akzeptanz der Strassenverkehrsgesetzgebung und ihrer Fahrberechtigung gewisse Obliegenheiten (E. 3.2).
Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies gemäss Bundesgericht:
Vorliegend beschränkte sich der Beschwerdeführer bei der Befragung durch den Strafgerichtspräsidenten zum Grund seiner Einsprache gegen den Strafbefehl, zu seinem Aufenthaltsort zur Zeit der Bildaufnahme und zur Frage, ob er seinen Porsche eventuell ausgeliehen hatte, auf die Erklärungen, er möchte dazu nichts sagen (act. 75). Es spricht alles dafür und nichts dagegen, dass der Beschwerdeführer selber seinen Porsche in jenem Zeitpunkt gelenkt hatte, als er geblitzt wurde. Unter diesen Umständen auf seine Täterschaft zu schliessen, verstösst nicht gegen Art. 6 Ziff. 2 EMRK und Art. 32 Abs. 1 BV (E. 3.3).
Ob der Beschwerdeführer den Porsche tatsächlich gelenkt hat, interessiert somit bei einer solchen Verteidigungsstrategie nicht.
Sehr mutige Verteidigungsstrategie
Was müsste man denn dem Fahrzeughalter als Verteidiger raten: “tu so [d.h. lüge] als hättest du den Porsche einem Verwandten ausgelehnt, den du weder belasten willst noch musst!”?
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es scheinbar unzweifelhaft, dass es der Halter war, auch wenn dessen Haltereigenschaft das einzige Indiz dafür ist. Das leuchtet mir spontan nicht ein.
Ein Verteidiger rät seinem Mandanten aus verschiedenen Gründen nicht, er soll die Behörden anlügen. Bereits das Risiko, dass die Lüge auffliegt und die entsprechenden Konsequenzen zeitigt, ist zu hoch.
Die Begründung des Bundesgerichts leuchtet ein, wenn man den Begriff des Zweifels normativ versteht. Was der Richter nicht anzweifelt ist unzweifelhaft.
A puncto lügen: Die Straftatbestände der Begünstigung (insbesondere für den Verteidiger) und der Irreführung der Rechtspflege sind auch nicht zu vergessen.
Im erwähnten Porsche-Fall: Vielleicht wäre es aus wirtschaftlicher Sicht am besten, die Busse oder die erstinstanzliche Strafe zu akzeptieren. Wenn man es aber wissen will..
@admin: “Was der Richter nicht anzweifelt ist unzweifelhaft.”: Hätte denn der Richter in casu nicht anzweifeln müssen?
Naja, es ist ja gerade die Aufgabe des Verteidigers, seinen Mandanten zu begünstigen.
Ob der Richter hier hätte zweifeln müssen, weiss ich nicht. Es ist Aufgabe der Verteidigung, dem Richter zu zeigen, warum er zweifeln muss. Das schafft man bisweilen ja auch, ohne sich als Verteidiger der Irreführung schuldig zu machen.