“Brian” und der Strafvollzug
Dass im Strafvollzug Straftaten begangen werden, dürfte nicht überraschen. Dass man für solche Straftaten aber zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Jahren verurteilt wird, ist schon sehr bemerkenswert. Das entsprechende Urteil des Obergerichts ZH erwies sich nun aber als falsch. Das Bundesgericht wirft der Vorinstanz vor, den Sachverhalt in Bezug auf den geltend gemachten Notstand nur unvollständig abgeklärt zu haben (BGer 6B_882/20210 vom 12.11.2021, Fünferbesetzung). “Brian” machte u.a. geltend, er sei vom Staat seit seinem 10. Lebensjahr wiederholt unmenschlich und erniedrigend behandelt worden (vgl. auch die Medienmitteilung des Bundesgerichts).
Indem sich die Vorinstanz lediglich mit den aktuellen Vollzugsbedingungen, jedoch nicht mit den Bedingungen der vom Beschwerdeführer bereits früher ausgestandenen Strafen und (Zwangs-) Massnahmen bzw. seinen diesbezüglichen Schilderungen auseinandersetzt, verletzt sie ihre Begründungspflicht sowie den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör und stellt den massgebenden Sachverhalt nur unvollständig fest. Zwar hat das Bundesgericht im Verlegungsentscheid festgehalten, dass sich der Vollzug in der JVA Pöschwies und die damit verbundenen Haftbedingungen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles bzw. wegen des vom Beschwerdeführer ausgehenden Risikopotenzials zum Entscheidzeitpunkt noch rechtfertigen lassen (Urteil 1B_52/2021 vom 24. März 2021 E. 3.7 und 3.8). Dabei handelt es sich jedoch um eine isolierte Beurteilung der damals aktuellen Haftbedingungen, ohne Berücksichtigung der Behandlungen durch die Behörden, die der Beschwerdeführer angeblich bereits früher erfahren haben soll. Bei der Frage, ob sich der Beschwerdeführer bei den angeklagten Delikten in einer Notstandssituation befunden oder gewähnt hat, können jedoch – insbesondere angesichts der zeitlichen Gegebenheiten – auch allfällige frühere Behandlungen bzw. Vollzugsbedingungen relevant sein. Zwar schildert der Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren sehr ausführlich, welchen Vollzugsbedingungen und Behandlungen er in seinem Leben ausgesetzt gewesen sein soll, jedoch ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichts, den Sachverhalt selbst festzustellen. Insgesamt ist es dem Bundesgericht mangels entsprechender Ausführungen und tatsächlicher Feststellungen der Vorinstanz nicht möglich, die (tatsächlichen und rechtlichen) Rügen des Beschwerdeführers zu beurteilen (E. 4.5).
Vielleicht ist es am Ende “Brian”, der dafür sorgt, dass die notorischen Erniedrigungen und Schikanen im schweizerischen Straf- und Massnahmenvollzug abgebaut werden. Die Vollzugsbehörden berufen sich dabei ja jeweils auch auf eine Art Notstand, indem sie die Schikanen mit den von ihnen selbst definierten Sicherheitsvorschriften rechtfertigen.
Das Straftäter:innen durch die Strafjustiz schikaniert werden liegt in der Natur der Sache, die einten mehr die anderen weniger.
Ich sehe es so ohne Druck oder Schikane wären die Gefängnisse leer und die Kriminellen vom Klein-Kriminellen bis zum Gewaltstraftäter allesamt auf der Strasse.
Dazu kommt, dass die gesetzlicher Normen im Strafprozessrecht allesamt mehr oder weniger dehnbar sind oder auch schlicht – aus Absicht oder Unwissenheit – ignoriert werden. Aus diesem Grund steht dem Beschuldigten ein Strafverteidiger zu, der dafür sorgt, dass alles mehr oder weniger im gesetzlichen Rahmen abläuft. Natürlich gibt es bessere und schlechtere Strafverteidiger und natürlich gibt es auch die “Lakaien”.
“Brian” kann von Glück reden, dass diese Geschichte im Jahr 2000 passierte in den 70er wäre er vermutlich als Verdingkind oder in einer Arbeitserziehungsanstalt geendet. Er wäre kaum sehr alt geworden und hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit jahrzehntelang Prügel, Misshandlung und Erniedrigungen eingesteckt.
Es ist natürlich nicht auszuschliessen, dass der 10 jährige Brain erniedrigt wurde es fragt sich wo seine Eltern waren oder der damalige Verteidiger.
Natürlich gibt es auch Menschen, die sind und bleiben uneinsichtig und unbelehrbar und provozieren und provozieren und provozieren …
Ich kann mir nicht vorstellen, dass “Brian” in Länder mit höherer Gewaltbereitschaft heute noch Leben würde. Ich empfehle “Brian” den Film “Der Unbeugsame” aus dem Jahr 1967 mit Paul Newman in der Hauptrolle anzuschauen und sich dann die folgenden zwei Fragen zu stellen:
Was bringt es mir und wo wird/könnte es enden?
Du Träumst auch noch von einer schönen Schweiz die ein Rechtstaat ist ?
Es geht hier in keinerweise darum das Gefangenschaft halt auch mit Einschränkungen zu tun hat sondern es geht um UNNÖTIGE Erniedrigung wie zB:
Roadtrains, wo man über viele Stunden in einer kleinem Kiste eingesperrt wird, dazu noch mit Handschellen, aber ohne das man angeschnallt wird, hier scheint es für Gefangene nicht zu gelten das Verkehrsixherheitsvorschrifen für diese auch einzuhalten wären. Die grösse der BOX wo man ei gesperrt wird, würde zB Tierschutzverodnungem wiedersprechen, würde man einen Hund so transportieren würde man dafür gebüsst werden. Gefangene scheinen also weniger Rechte zu haben als eim Hund in der Schweiz, ist das eine Nötige Erniedrigung ? Was hat das mit Stravollzug zu tun?
Gefangene werden in U-Haft wie in Isolation gehalten, in gewissen Gefängnissen wird nicht mal der minimale Hofgang gewährt, manchmal an Sonntagen gar nicht, Raucher müssen dann halt 48 Stunden verzichten, obwohl es Folter ist Süchtige auf Entzug zu setzen, spielt dies offensichtlich an vielen Orten keine Rolle.
Soll ich noch ein paar mehr Bsp aufzählen ?
Ich habe bei einem ehemaligen sozialistisch-kommunistischen Staat/Land das Gefängnis und dabei diverse Folter erfahren. Damals hat mir dieser Staat viele verschiedene falsche Vorwürfe gemacht, die ich als wahr zu anerkennen hatte. Hier passiert das Gleiche, nur sieht etwas milder aus. Zum Glück hat Brian Rechtsverteidiger, sonst wäre von der Folter, die er sicherlich im Gefängnis erfährt nicht hier erschienen. Brian gewinnt aber nicht zum ersten Mal, deswegen für Diejenigen, die immer noch positiv auf Schweizer-Model eingestellt sind sollten die Glocken läuten. Wie es aussieht der John und Philipp Stolkin kennen sehr viele Fälle aber ich kenne einige Fälle bei der Basler-Justiz, die ähnlich brutal sind.
Brian ist ein Mensch und mit dem muss man pädagogisch verhalten, solche Bedingungen schaffen, die ihn sanfter machen und so ihn in eine Freiheit mit schönem Leben locken. Wenn man ein Tier(Hund, Katze, usw.) trainieren kann, kann man auch den Mensch Brian trainieren.
Haben doch ca. 1/3 der Wähler für die parteiunabhängige Richter gewählt? Kein Wunder: diese Brutalitäten passieren sicherlich wegen parteiabhängige Richter, die die eventuellen Fehlentscheidungen eigenen Kollegen verdecken und verharmlosen.
Besten Gruss an John und Stolkin!
@ Geistreich, zwischenzeitlich ist empirisch belegt das dass Gefängnis die Insassen nicht sozialisiert und wiedereingliedert sondern schlicht und ergreifend weiter kriminell bleiben lässt.
Mit Verlaub: Die verfassungs- und konventionsrechtliche Lage ist eindeutig. Isolationshaft ist unzulässig, jeder hat einen Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung, die unsere Autoritäten Brian seit dem 10 Lebensjahr strikte verweigern. Internationale Standards wie die Mandela Rules oder die European Prison Rules blieben ohne jegliche Beachtung. Der Mann ist geschlagen worden, man versucht ihn in den Wahnsinn zu treiben, sollte er sich nicht so zu benehmen, wie die Wärter es von ihm erwarten, nota bene in einem System indem Pendanterie und Perfidie vorherrscht, was offensichtlich der Zürcher Justizvollzug mehr als nur toleriert – ohne dass ihm ein Gericht in den Arm fällt. So entsteht ein abgeschottetetes System, in dem sich die Verwaltung selbst gerecht wird- unkontrolliert von der dritten Gewalt. Menschen werden demütigt, was wohl kaum zu deren Resolzialiserung beiträgt. Mit anderen Worten ist es nicht an Brian sich zu fragen, sondern an uns, der Gesellschaft, ob wir ein völlig unkontrolliertes Justizsystem wollen, dass immer wieder für Menschenrechtsverstösse wie bei den Verdingkindern oder eben Brian sorgt. Nicht Brian muss sich fragen. Brian ist Opfer,sondern die Täter. Täter aber sind wir alle, die das ohne Widerrede entgegennehmen, es sogar legitimieren.
@ herr stolkin. Ja, genau, täter sind wir. Das ist ja so geistreich! Schuld sind nur die anderen. Brain dagegen ist inzwischen ein superstar mit drei (!) anwälten. Aber was ist mit seinen taten? Sind die vom himmel gafallen? Ah, nein, stimmt, fast vergessen: das waren ja wahrscheinlich auch wir!
….ja wohl kaum…gut, Sie sind als Verteidiger nicht objektiv…es ist doch total weldfremd anzunehmen, dass alle Behörden seit seinem 10. Lebensjahr alles falsch gemacht haben und der arme Brian nur Opfer ist. Das Obergericht macht jetzt einfach eine „Zusatzrunde“: ändern wird das am Schluss kaum etwas…die Wette gilt!
@ Geistreich
Ja am Schluss waren das WIR, den wir züchten hier einen Menschen der keinen Lebensinhalt hat ausser DIE Gesellschaft zu schädigen. Und das sind dann halt WIR. Die Schweiz ist wie Ai Wei Wei sagte der Scheinheiligste Staat der Welt, viel bla bla und wenig substanzielles, zB sich selbst gut finden und meinen man würde die Menschenrechte seit jeher hochhalten, dabei kann man in Champ Dollons zB seit Jahren die Menschenrechtsverletzungen gar nicht mehr zählen…
Den Grad der Zivilisation einer Gesellschaft kann man am Zustand ihrer Gefangenen ablesen.
Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821 – 1881) war ein russischen Schriftsteller.
@ john. Danke, ich kenne dostojewskij auch (allerdings nicht persönlich). Ich denke nicht, dass er gemeint hat, der zustand eines einzelnen häftlings, von dem sich glaube ich alle (einschliesslich wohl seiner anwälte) einig sind, dass er eine extremerscheinung ist, sage etwas über die zivilisation einer gesellschaft aus. Ich will nur zu bedenken geben, dass das extremverhalten des häftlings vielleicht, vielleicht auch etwas über sein eigenes verantwortungsgefühl aussagen könnte und dass so plakative aussagen darüber, er sei gewissermassen ein produkt der gesellschaft, nicht nur zu kurz greifen, sondern irgendwo gerade auch die (von den anwälten selber angerufene) würde des häftlings tangieren. Denn, wenn er von seinen anwälten wirklich als das reine produkt externer kräfte gesehen würde und seine anwälte ihn in verneinung jeglicher eigenverantwortung für seine taten gleichsam als spielball dieser kräfte sehen würden, so degradierten sie ihn selber zu einem willen- und verantwortungslosen objekt. Ein mensch kann aber nicht objekt sein. Ihm kommt eben würde zu. Das bedeutet aber auch, dass er verantwortung hat und sich nicht mit referenz auf externe kräfte (gott, gesellschaft etc.) vollständig entschulden kann.
Mit Verlaub: es ist immer wieder schön zu lesen, wie Experten unter sich das Problem unseres Unmenschlichen Strafvollzugs sezieren. Was leider allen gemein ist: sie haben keine, aber auch wirklich nicht die geringste (!) Ahnung, was es bedeutet, Straftäter beaufsichtigen zu müssen, welche nicht einmal im Ansatz dieselben Werte wie Respekt vor dem Gegenüber, Höflichkeit, Anstand, Rücksicht etc., etc. teilen, sondern nur sich selbst und ihre ach so verkorkste Vergangenheit sehen, für die logischerweise alle andern verantwortlich sind, bloss nicht sie selbst. Brian verkörpert geradezu den Archetypus dieses Insassen. Wenn es nicht nach seinem Willen geht, nimmt er die Bude auseinander. Ich möchte Ihnen, die Sie Verfassung und EMRK bemühen, einmal bei der Konfliktlösung über die Schulter schauen. Denn offensichtlich wissen Sie, was zu tun wäre, wenn einer tobt und wie ein Berserker alles um sich herum niederschlägt, nur weil sein auf der Stufe eines Dreijährigen stehen gebliebenes Ego sich nicht damit abfinden kann, dass nicht er die Regeln macht, sondern andere.
Und dann einen derartigen Mist lesen zu müssen! Es grenzt an Verhöhnung der Verdingkinder, sie mit dem Fall Carlos auch nur in einem Satz zu nennen!
@Blaise Kern: Perfekt zusammengefasst!
Bravo Blaise Kern und Anonymus! Genau so ist es. Und weil ein solcher “Insasse” nur sich selbst sieht und immer die anderen schuld sind, ist das natürlich ein Rechtfertigungsgrund, sich gegen den Strafvollzug zu wehren und Delikte zu legitimieren. So das BGer im Kern. Und daher die Ehrenrunde zurück ans OGer ZH, das sich nun auch noch mit diesem Argument auseinandersetzen muss. Bin gespannt, was der vierte Anwalt von “Brian” noch für Pfeile im Köcher hat…
Die Behörden haben überhaupt nicht alles falsch gemacht. Aber ich glaube die meisten werden mir zustimmen, dass bei vielen Behörden (v.a. Polizei aber auch politischere Behörden) wenig bis gar keine Fehlerkultur vorhanden ist – unabhängig von diesem Extremfall. Schade eigentlich.
Sind Sie sicher, dass wenn er nicht tobt besser verhalten wäre? Ich glaube an diese These nicht, weil der Mensch sehr viele Ungerechtigkeiten speichern kann und danach sie auf eine oder andere Form bei einem einzigen Mal noch explosiver äussert.
Der Zweck heiligt also die Mittel ? Tja darunter könnten wir viels subsumieren, im Endeffekt wäre die Todestrafe da Menschlicher, es würde nähmlich zum Ausdruck bringen das unsere verkorkste Leistungsgesellschaft viele einfach nicht will und welche dann delinquieren unter aller Würde behandelt werden können.
Ich wünsche Ihnen mal 2 Wochen U-Haft, ohne gar nichts, nur 2 Wochen ganz normale U-Haft, den meisten Menschen ist das schon Schock genug
Es langt schon die vorläufige Festnahme für ein paar Tage. Da braucht man nicht einmal einen Richter dafür.
Offensichtlich ist hier so manchem Juristen das Folterverbot nicht bekannt. Auch seinen diese Anwälte seine Bedeutung nicht zu ergreifen: Das Folterverbot gilt absolut, ohne jede Ausnahme. Wer eine Ausnahme davon macht, wie die Herren Kollegen, der stösst damit das Tor zur Diktatur, zur Hölle auf. Werden doch so die Grenzen immer mehr in selbstgerechter Weise verschoben. Der fälschlicherweise erfolgte Hinweis auf die angebliche unerklärliche Gewaltbereitschaft ist daher verfehlt – und in einem demokratischen Rechtstaat nicht hinnehmbar. Gerne empfehle ich daher die Lektüre der allgemeinen Menschenrechteserklärung, aber auch der schweizerischen Bundesverfassung.