Brüskes Bremsen im Kanton Aargau

Erneut kassiert das Bundesgericht ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, das einen Automobilisten bundesrechtswidrig verurteilt hat (BGer 6B_797/2014 vom 23.12.2014).

Das kassierte Urteil basiert auf folgendem Sachverhalt:

Die Vorinstanz stellt fest, dass beide Fahrzeuge mit ca. 60 km/h fuhren und A. dem Beschwerdeführer mit einem Abstand von fünf bis zehn Metern folgte. Der Beschwerdeführer habe die Bremse seines Fahrzeuges angetippt und damit bezweckt, dass A. den Abstand vergrössere. Ein kräftiges Bremsen sei auszuschliessen. Es sei davon auszugehen, dass das Fahrzeug bereits dadurch, dass der Beschwerdeführer seinen Fuss vom Gaspedal wegnahm und die Motorbremse ihre Wirkung entfaltete, spürbar an Geschwindigkeit verlor. Durch seine nicht unwesentliche Geschwindigkeitsreduktion habe der Beschwerdeführer gegen Art. 37 Abs. 1 SVG und Art. 12 Abs. 2 VRV verstossen. Dieses Bremsen sei als brüsk im Sinne der erwähnten Bestimmungen zu qualifizieren (Urteil, S. 18 ff) .

Der aargauischen Justiz war das Verhalten des Beschwerdeführers eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen und eine Busse von CHF 1,000.00 wert. Das Bundesgericht ist gestützt auf seine Rechtsprechung der Meinung, der Beschwerdeführer habe nicht nur keine grobe SVG-Widerhandlung begangen, er habe überhaupt keine Verkehrsregel verletzt:

Die Geschwindigkeit des vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeugs reduzierte sich nach den Feststellungen der Vorinstanz bereits dadurch, dass dieser den Fuss vom Gaspedal wegnahm. Art. 12 Abs. 2 VRV verbietet das brüske Bremsen, wenn kein Notfall vorliegt. Dies setzt voraus, dass der Lenker die Bremse seines Fahrzeugs betätigt. Der Beschwerdeführer verlangsamte sein Fahrzeug, ohne die Bremse zu betätigen, weshalb ein brüskes Bremsen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 VRV von vornherein nicht gegeben ist. Zudem durfte der Beschwerdeführer nach der erwähnten Rechtsprechung die Bremse kurz antippen, um A. – dessen Abstand von fünf bis zehn Metern bei einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h viel zu kurz war – auf sein gefährliches Verhalten aufmerksam machen. Um die Bremse antippen zu können, musste der Beschwerdeführer aber den Fuss vom Gaspedal wegnehmen, was ebenfalls zulässig ist. Den hinterher fahrenden Automobilisten trifft alleine die Verantwortung, einen ausreichenden Abstand nach vorn zu wahren (BGE 115 IV 248 E. 3a). Der Beschwerdeführer verletzte keine Verkehrsregeln. Es erübrigt sich, auf seine weiteren Rügen einzugehen (E. 1.3).

Hier ist das Obergericht wohl über den selbst festgestellten Sachverhalt (und allenfalls über die Anklage) gestolpert. Dass es den Beschwerdeführer nicht freigesprochen hat, ist an sich nicht unverständlich. Das ändert aber nichts daran, dass sein Entscheid offensichtlich falsch war.