Bundesgericht c. Kanton Aargau
Das Bundesgericht weist eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau ab, lässt aber in Bezug auf die Begründung der Strafzumessung (sie war nur im Ergebnis nicht zu beanstanden) kein gutes Haar an der Vorinstanz. Abgewiesen hat es die Beschwerde, weil auch die Argumente der Staatsanwaltschaft an der Sache vorbei gingen (BGer 6B_1096/2010 vom 07.07.2011).
Die Kritik an der Staatsanwaltschaft:
Die Vorbringen der Beschwerdeführerin gehen an der Sache vorbei. Der Strafantrag ist überrissen. Jede Straftat ist in den Strafrahmen einzuordnen. Das tut auch die Vorinstanz. Sie ist nicht verpflichtet, sich bei den einzelnen Teilschritten der Urteilsbegründung auf bestimmte Zahlenangaben festzulegen (BGE 121 IV 49 E. 2a/aa). Die Strafzumessungstatsachen zeigen zudem ein völlig anderes Bild als das von der Beschwerdeführerin aufgezeigte. Entgegen ihrer Einschätzung wiegt die Tatkomponente keineswegs „ausserordentlich schwer“. Es geht auch nicht darum, den Strafrahmen auszuschöpfen, sondern eine Strafe nach den Kriterien des StGB festzusetzen. Art. 26 Abs. 1 TSchG kennt keine Mindeststrafandrohung. Deshalb steht auch bei Vernachlässigung und Tötung der gesamte Strafrahmen zur Verfügung. Die Strafe ist nicht nach dem Erfolg, sondern nach dem Verschulden zuzumessen (…; E. 4.2).
Die (wiederholte) Kritik an der Vorinstanz:
Hingegen ist anzumerken, dass der vorinstanzliche Ausgangspunkt eines „schweren Verschuldens“ und das massgebende Ergebnis eines „mittelschweren Verschuldens“ angesichts des Sachverhalts nicht haltbar sind. Die ausgesprochene Strafe ist zudem im Lichte der Gewichtung des Verschuldens schwer verständlich. Bei einem Strafrahmen, der von Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe reicht, erscheint eine festgesetzte Geldstrafe von 60 Tagessätzen nicht nachvollziehbar, wenn zumessungsrelevant von einem „mittelschweren Verschulden“ auszugehen wäre. Weil das Strafmass indessen im Ergebnis bundesrechtlich vertretbar ist (vgl. oben E. 4.1), führt dies nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nur der besseren Begründung wegen (BGE 127 IV 101 E. 2c am Ende). Das Bundesgericht drängt in seiner neuesten Praxis vermehrt darauf, dass Formulierung des Verschuldens und Festsetzung des Strafmasses auch begrifflich im Einklang stehen (vgl. Urteile 6B_1048/2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.2 [den Kanton Aargau betreffend] und 6B_763/2010 vom 26. April 2011 E. 4.1) (E. 4.2, Hervorhebungen durch mich).
Das Bundesgericht übertreibt wohl… Oder soll ein Verschulden z.B. bei einer Vergewaltigung oder bei sexuellen Handlungen mit Kindern in Zukunft deshalb als LEICHT bezeichnet, nur weil die Strafe im unteren Drittel der meist viel zu großen Strafrahmen fällt? Bei fast allen SVG Delikten müsste das Verschulden in Zukunft nach Bundesgericht ebenfalls als Leicht oder sogar sehr leicht bezeichnet werden. Das scheint mir vom Bundesgericht doch nicht sehr durchdacht…
Das Bundesgericht verlangt ja „nur“, dass das Strafmass und das Mass des Verschuldens in Übereinstimmung gebracht werden. Das wird im Ergebnis zweifellos zu einer Verschärfung der Strafen führen, jedenfalls dann, wenn die kantonalen Gerichte weiterhin fast ausnahmslos von einem schweren oder von einem „nicht leichten“ Verschulden ausgehen. Das liest man in praktisch jedem Urteil, weil die Gerichte offenbar befürchten, Ihre Urteile würden ihre Wirkung verfehlen, wenn sie von leichtem Verschulden sprechen. Sie gehen irrtümlicherweise davon aus, ihre Urteilsbegründungen würden von den Beschuldigten gelesen.