Bundesgericht heisst Haftbeschwerde gut

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in einer Haftsache wegen Wiederholungsgefahr gut (BGer 1B_250/2013 vom 20.08.2013). Der Beschuldigte wird verdächtigt, seinen neu geborenen Sohn mehrfach massiv misshandelt und dadurch Knochenbrüche (Schienbein, Mittelfuss, Rippen, Schädel) und Weichteilschwellungen verursacht sowie ihm mehrfach in gefährlich überhöhten Dosen nicht für das Kind bestimmte Medikamente (Valium, Temesta) verabreicht zu haben. Obwohl der Sohn inzwischen fremdplatziert ist, befindet sich der Beschuldigte seit einem Jahr in Untersuchungshaft. Das Bundesgericht ist der Meinung, dass dies nicht mehr verhältnismässig ist. Es wirft das Thema der Ersatzmassnahmen auf und weist auch auf die Dauer der Haft hin.

Über das Vortatenerfordernis geht das Bundesgericht hinweg, weil es geeignete Ersatzmassnahmen sieht. Offenbar hatte die Vorinstanz vom Vortatenerfordernis abgesehen:

Nicht völlig auszuschliessen ist, dass der Beschwerdeführer nach einer allfälligen Wiederaufnahme des Familienlebens – seine Ehefrau wäre dazu offenbar bereit – wiederum in eine Überforderungssituation gerät, was ihn zu Gewalttätigkeiten gegen seine Frau und seine Tochter veranlassen könnte. Diese Gefahr liegt allerdings nicht besonders nahe, da sich der Beschwerdeführer bisher gegen diese beiden Familienmitglieder nichts zu Schulden kommen liess. Es fragt sich daher, ob unter diesen Umständen ausnahmsweise vom Vortatenerfordernis abgesehen werden und Wiederholungsgefahr angenommen werden darf. Das braucht indessen nicht abschliessend entschieden zu werden, da sie ohnehin durch mildere Ersatzmassnahmen ausreichend gebannt werden kann. In Betracht fällt etwa ein Rayonverbot um den Wohnsitz von Ehefrau und Tochter sowie um denjenigen der Pflegeeltern von Y., das allenfalls, wie vom FPD in seiner Vorabstellungnahme vom 26. September 2012 vorgeschlagen, durch Electronic Monitoring überwacht werden könnte, verbunden mit der Auflage, seine Familienmitglieder nicht unbegleitet zu treffen. Kann aber der Schutz der potenziell gefährdeten Familienmitglieder dadurch ausreichend gewährleistet werden, vermag auch der Umstand eine Fortführung der Untersuchungshaft nicht zu rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer nach der vom Obergericht übernommenen Auffassung des FPD nur stationär erfolgreich therapiert werden kann. Dies umso weniger, als eine derartige Therapie noch gar nicht in Angriff genommen wurde, obwohl das beim sich im vorzeitigen Strafvollzug befindenden Beschwerdeführer möglich sein müsste (E. 3.2).

Zur Dauer der Haft:

Ohnehin wäre die Fortsetzung der bereits seit rund einem Jahr andauernden Haft unter Verhältnismässigkeitsgesichtspunkten auch in zeitlicher Hinsicht problematisch. Es ist zwar nicht bekannt, was für eine Strafe die Staatsanwaltschaft beantragen will und es ist auch nicht Sache des Bundesgerichts, in diesem Verfahren dem Strafrichter mit Überlegungen zum Strafmass vorzugreifen. Allein aus dem Umstand, dass der obere Strafrahmen bei 15 Jahren Freiheitsstrafe liegt, ergibt sich entgegen der Auffassung des Obergerichts jedenfalls nicht, dass die Fortführung der Haft mit dem Beschleunigungsgebot ohne Weiteres vereinbar wäre (E. 3.3).

Im Urteilsdispositiv heisst das dann wie folgt:

  1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern vom 19. Juni 2013 aufgehoben und die Sache an die Regionale Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau zurückgewiesen mit der Anweisung, im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen die ihr gutscheinenden Ersatzmassnahmen anzuordnen bzw. zu organisieren und den Beschwerdeführer alsdann innert kurzer Frist aus der Haft zu entlassen.

Interessant ist, wie das Bundesgericht die Kostenfolgen regelt. Es spricht dem obsiegenden Beschwerdeführer eine Entschädigung für das Verfahren vor Obergericht und vor Bundesgericht zu, zahlbar durch den Kanton Bern. Es bestimmt somit auch die Parteientschädigung, die eigentlich das Obergericht des Kantons Bern bestimmen müsste.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der Kanton Bern dem Beschwerdeführer für das obergerichtliche und das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1, 2 und 5 BGG); dadurch kann auf eine Rückweisung ans Obergericht zur Neuregelung der Entschädigungsfrage verzichtet werden. Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verteidigung gegenstandslos (E. 4).