Bundesrechtswidrige Erschwerung der Strafverfolgung?
Das Bundesgericht fällt erneut in die Rolle eines Zwangsmassnahmengerichts und wirft der Vorinstanz sinngemäss vor, das Gesetz zu eng interpretiert und damit der Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung in bundesrechtswidriger Weise erschwert zu haben, indem sie deren Gesuch um rückwirkende Randdatenerhebung nicht vollumfänglich gutgeheissen habe (BGer 1B_365/2014 vom 21.01.2015). Abgesehen davon, dass dies an einen Vorwurf strafbaren Verhaltens grenzt, verstehe ich nicht, dass das höchste Gericht, das doch in erster Linie den Bürger vor übermässiger Beschränkung seiner Grundrechte schützen soll, einem Zwangsmassnahmengericht letztlich vorwirft, zu wenig stark in die Grundrechte der Bürger einzugreifen und damit Bundesrecht zu verletzen.
Der Entscheid enthält Erwägungen, die mein Verständnis von den Eintretensvoraussetzungen und den Voraussetzungen für die Genehmigung von Zwangsmassnahmen auf den Kopf stellen. Hier ein paar Zitate:
[…]; es droht eine erhebliche Erschwerung der Strafuntersuchung mit Beweisverlust und damit ein nicht wieder gutzumachender Nachteil i.S.v. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind ebenfalls erfüllt (E. 2). [Ist das ein “Rechts”-Nachteil, den das Bundesgericht fordert?].
Nach der gegenteiligen Auffassung der Vorinstanz dürften rückwirkende Überwachungen faktisch nur zur weiteren Aufklärung von Einzeldelikten bewilligt werden, bei denen bereits ein Geständnis vorliegt. Eine solche enge Interpretation findet im Gesetz keine Stütze (E. 6.1) [Das war auch nicht die Meinung der Vorinstanz. Sie wollte nur die Betroffenen vor übermässiger Beschränkung ihrer Grundrechte schützen und hat übersehen, dass das Gesetz in erster Linie die Staatsanwaltschaft zu schützen hat].
Gerade bei schweren Seriendelikten würde [eine solche Interpretation] zu einer bundesrechtswidrigen Erschwerung der Strafverfolgung führen. Wenn dringende Verdachtsgründe dafür vorliegen, dass die überwachten Personen (im Zeitraum von bis zu sechs Monaten vor der Anordnung der Datenerhebung) weitere überwachungsfähige konnexe Delikte begangen haben und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen von Art. 273 Abs. 1 i.V.m. Art. 269 lit. b und c StPO erfüllt sind, darf die gesetzliche Überwachungsdauer von Art. 273 Abs. 3 StPO grundsätzlich ausgeschöpft werden (E. 6.1) [Es reicht also der dringende Tatverdacht bezüglich eines einzelnen Delikts, um Zwangsmassnahmen im Hinblick auf die Aufklärung weiterer Delikte zu verfügen, von denen man gerade nicht weiss und auch nicht wissen kann, ob sie tatsächlich konnex sind].
Eine entsprechende Ausscheidung (und damit voraussichtlich auch eine erhebliche Entlastung der Beschuldigten) soll mit den streitigen Randdatenerhebungen (und entsprechenden Abgleichungen) gerade erst ermöglicht werden (E. 6.3) [Zwangsmassnahmen sollen den dringenden Tatverdacht, den ihre Genehmigung voraussetzt, erst begründen].
Vielleicht habe ich jetzt einfach wieder einmal etwas nicht verstanden. Ich wäre daher dankbar, wenn man mir zeigen könnte, wo meine Denkfehler liegen.
Hr. Forster kann man auf der Basis der StPO des Gesetzgebers nicht verstehen; er schreibt sie vielmehr in Eigenregie seit fast 4 Jahren neu.
Immerhin Prof. Dr. Forster, aber sie meinen doch bestimmt die Richter der I. ÖFFRA.
Ich glaube schon, dass Prof. Dr. Forster gemeint ist….. weil dieser seltsamerweise immer genau bei solchen Entscheiden stets der Auffassung der in ihren Rechten verletzten Staatsanwaltschaften folgt – oder kennen Sie einen Einscheid mit Prof. Forster als Gerichtsschreiber, wo dies anders war …. ?
Ja, BGE 139 IV 25.
Die Beschwerdelegitimation der Staatsanwaltschaft ist ein Thema für sich.
Vorliegend scheint die Crux in der Interpretation der Faktenlage zu liegen. Während die Staatsanwaltschaft einen dringenden Verdacht auf gewerbs- und bandenmässigen Diebstahl hegt, sieht das ZMG einen dringenden Tatverdacht bloss für einen einfachen Diebstahl. Folgerichtig hat es die Randdatenerhebung nur für wenige Tage bewilligt.
Soviel wir über die Verdachtslage erfahren, lässt sich ein dringender Tatverdacht auf gewerbs- und bandenmässigen Diebstahl ohne Weiteres begründen (mutmasslich weiteres Deliktsgut, einschlägige Vorstrafen, Auftreten in wechselnder Besetzung; kurzum ein Verhalten wie es Einbrecherbanden an den Tag bzw. die Nacht legen). Geht man von einem solchen Verdacht auf ein Kollektivdelikt aus, ist die Erhebung der Randdaten für 6 Monate gerechtfertigt. Der Vorwurf, die Zwangsmassnahme solle erst den Tatverdacht begründen, stösst dann ins Leere.
Die Frage ist, was für die Beurteilung des Tatverdachts herangezogen werden darf. Dringend kann ein Tatverdacht m.E. sicher dann nicht sein, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Begehung eines weiteren konkreten Delikts vorliegen. Könnte etwa das Vorleben einen dringenden Tatverdacht begründen, müsste es auch für Hautfarbe oder Ethnie gelten. Im vorliegenden Fall ging es darum, einer Serie ungeklärter Delikte eine Täterschaft zuzuordnen. Das tut man, indem man einen Ertappten nimmt und dann abklärt, ob er für die ungeklärten Fälle als Täter in Frage kommt. Das ist schlüssige Polizeiarbeit, gegen die nichts einzuwenden ist. Wenn die Polizei aber Zwangsmassnahmen einsetzen will, braucht sie einen qualifizierten Tatverdacht und der liegt halt ohne konkrete Anhaltspunkte, die auf die Begehung eines konkreten Delikts hindeuten, nicht vor.