Bundesrechtswidrige Landesverweisung
Das Obergericht AG wollte einen verurteilten Betrüger aus dem Land verweisen. Die Geldstrafe betrug – als Zusatzstrafe zu einem Strafbefehl – 100 Tagessätze. Das Bundesgericht bestätigt den Entscheid, kassiert aber die Massnahme in EMRK-konformer Auslegung von Art. 66a StGB als unverhältnismässig (BGer 6B_587/2020 vom 12.10.2020):
Der Beschwerdeführer moniert nach dem Gesagten zu Recht, dass die Anordnung einer Landesverweisung unter den gegebenen Umständen als unverhältnismässig erscheint. Angesichts der Tatsache, dass er während nunmehr 27 Jahren in der Schweiz lebt, somit den weitaus grössten Teil seines Lebens hier verbracht hat und verwurzelt ist, kann den Kinder- und Jugendjahren im Kosovo – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – keine überragende Bedeutung mehr zukommen. Sodann wiegt die unbestrittenermassen enge Beziehung zu den Söhnen, insbesondere zum erst 10-Jährigen, mit Blick auf die Annahme eines Härtefalls sowie ein zu gewichtendes privates Interesse des Beschwerdeführers und seines Sohnes schwer. Daran ändert nichts, dass er über kein gerichtlich geregeltes Besuchsrecht verfügt, nachdem eine autoritative Regelung offenbar aufgrund der Einigung der Ehegatten nicht erforderlich war. Ferner lebt der Beschwerdeführer in einer langjährigen Beziehung zu einer Schweizerin, deren Wahrhaftigkeit die Vorinstanz nicht in Frage stellt. Dies gilt ebenso für die Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers jedenfalls während der weit überwiegenden Zeit seiner Anwesenheit in der Schweiz. Sein Interesse an einem Verbleib wiegt daher, nicht zuletzt angesichts der sehr langen Aufenthaltsdauer sowie der familiären Bindungen zu hier gefestigt aufenthaltsberechtigten Personen schwer. Die Vorinstanz verneint einen Härtefall mithin zu Unrecht. Schliesslich ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Fernhaltung des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Die ihm zur Last gelegten Verfehlungen, welche mit 40 resp. 60 Tagessätzen Geldstrafe geahndet wurden, bewegen sich vielmehr im untersten möglichen Bereich des Strafrahmens sowohl bezüglich der Urkundenfälschung (Vorstrafe) als auch des Betruges. Mit Bezug auf letztere, hier beurteilte Straftat ist nach dem in Erwägung 1 vorstehend Gesagten im Übrigen von einer geringen kriminellen Energie auszugehen und ein kleiner Schaden entstanden resp. vom Beschwerdeführer in Kauf genommen worden. Jedenfalls aber kann nicht gesagt werden, die Katalogtaten würden einen derartigen Schweregrad erreichen, dass die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit notwendig erschiene. Auch die von der Vorinstanz erwähnten, nicht näher bezifferten Schulden des Beschwerdeführers begründen kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Landesverweisung. Deren Anordnung verletzt Bundesrecht (E. 2.2.2).
Es ist fraglich, ob der angefochtene Entscheid wirklich bundesrechtswidrig war oder nicht vielmehr die Folge der grobschlächtig formulierten Gesetzesbestimmung. Es sollte im Titel besser “EMRK-widrige” Landesverweisung heissen. Hätte sich der Beschwerdeführer nicht auf Art. 8 EMRK berufen können, hätte im Rahmen von Art. 66a StGB keine Verhältnismässigkeitsprüfung stattgefunden, da bei einem Betrug unter Vorbehalt des Härtefalls eine Landesverweisung die vom Gesetz vorgesehene Folge ist. Wohlweislich hat sich das Bundesgericht gehütet, den in Art. 66a StGB vorgesehenen Automatismus als EMRK-widrig zu bezeichnen, auch wenn das auf der Hand gelegen hätte.