Camenisch und seine politische Gesinnung
Gleich fünf Bundesrichter und eine Verfahrensdauer von einem Jahr (nur Bundesgericht) waren nötig, um eine Beschwerde von Marco Camenisch abzuweisen, dem die bedingte Entlassung nach Art. 86 Abs. 1 StGB verweigert worden war (BGer 6B_1150/2013 vom 03.12.2014).
Art. 86 Abs. 1 StGB lautet wie folgt:
Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
Zur Prognose äussert sich das Bundesgericht im konkreten Fall wie folgt:
Wohl begründet eine unveränderte politische Grundüberzeugung nicht in jedem Fall das weitere Fortbestehen der in der Tat gezeigten Gefährlichkeit und kann deshalb nicht unbesehen als Indiz für die Begehung weiterer Straftaten herangezogen werden: dies, weil ein Täter seiner politischen Überzeugung durchaus treu bleiben und diese im Rahmen der Meinungsfreiheit auch vertreten darf und kann, ohne deshalb erneut straffällig zu werden. Erforderlich ist jedoch eine glaubhafte Lossagung von der früheren Gewaltbereitschaft und eine klare Distanzierung von Gewaltanwendung als Mittel politischer Auseinandersetzung (vgl. für das deutsche Recht Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Februar 2007 in Sachen Brigitte Mohnhaupt, S. 11 ff.; s.a. Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Februar 2014 in Sachen Verena Becker; JUTTA HUBRACH, Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, 12. Aufl., Berlin 2010, N. 12 zu § 57; kritisch HERO SCHALL, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, 8. Aufl., 124. Lfg. September 2010; N. 15c zu § 57) [E. 4.5].
In ein paar Jahren wird Camenisch das Strafende erreicht haben. Er muss somit auf die endgültige Entlassung vorbereitet werden (Heranführen an die Freiheit), wozu die bedingte Entlassung eigentlich dienen sollte. Das ist im Moment aber deshalb noch zu gefährlich, weil Camenisch bisher keine Vollzugslockerungen zugestanden wurden.
Im Vollzug sollen die Gefangenen befähigt werden, künftig straffrei zu leben. Dieses Vollzugsziel lässt sich grundsätzlich nur schwer verwirklichen, wenn dem Gefangenen während des Strafvollzugs keine Vollzugslockerungen zugestanden werden. Die Vorinstanz weist darauf hin, dass die Rückfallgefahr, würde der Beschwerdeführer im heutigen Zeitpunkt bedingt entlassen, höher zu werten wäre als bei einem schrittweisen Heranführen an die Freiheit. Das kann aber im Hinblick auf das nahende definitive Strafende nichts anderes bedeuten, als dass zur Sicherung des Vollzugsziels und zum Schutz der Allgemeinheit entsprechende Lockerungsschritte nunmehr ernsthaft zu prüfen sind (E. 4.7).
Camenisch bleiben ein paar Jahre zur glaubhaften Lossagung und Distanzierung von vergangener und künftiger Gewaltanwendung. Vielleicht wird er dann aber einfach am Tag seiner obligatorischen Haftentlassung auf die Strasse gestellt.
Was soll man dazu sagen, dass das Bundesgericht hier aus diesen unsäglichen Fällen der Bundesrepublik zitiert?
Sind die zitierten Texte besonders gut und/oder macht es nichts aus, bei passender Gelegenheit die Meinung fremder Richter heranzuziehen?
…und wenn er sich nicht distanziert – wovon wohl auszugehen ist – wird sich bestimmt ein massnahmenrechtlicher oder „fürsorgerischer“ Weg finden, ihn nie mehr rauszulassen…