Carlos, die Justiz und die Medien
Seit das Bundesgericht seinen Entscheid zur Entlassung von Carlos aus der vorsorglichen geschlossenen Unterbringung publiziert hat (BGer 6B_85/2014 vom 18.02.2014), zeigen sich die Kommentatoren über zwei Themenkomplexe empört, nämlich über die Inkompetenz der Justiz im Kanton Zürich und über den Einfluss der Medien auf die Justiz.
Spannend sind insbesondere die heute publizierten Reaktionen in den Medien, die plötzlich allesamt gewusst zu haben scheinen, wie das Bundesgericht entscheiden werden müsse. Schlimm sind aber vor allem die Kommentatoren, die sich über den Einfluss der Medien auf die Justiz empört zeigen, obwohl sie dauernd um genau diesen Einfluss ringen. Hier ein Beispiel aus 10vor10.
Aus dem Urteil, dessen unaufgeregte und sachliche Begründung an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt:
Der abrupte Abbruch des Sondersettings steht in keinem Zusammenhang mit seinem eigenen Verhalten, welches eine geschlossene Unterbringung im Sinne einer Krisenintervention vorübergehend erlaubt und zum Wohle des Jugendlichen geboten hätte. Der Settingabbruch und die damit einhergehende vorsorgliche Einweisung in die geschlossene Abteilung des MZU war vielmehr Folge der kritischen medialen Berichterstattung und des wachsenden öffentlichen Drucks. Dass der Beschwerdeführer den unvermittelten Massnahmeabbruch als unfair empfindet, ist grundsätzlich nachvollziehbar und kann jedenfalls nicht zur Rechtfertigung der geschlossenen Unterbringung (zwecks Begutachtung) herangezogen werden. Die Einweisung des Beschwerdeführers in die geschlossene Abteilung des MZU, welche einen schweren Eingriff in seine Persönlichkeits- und Freiheitsrechte darstellt, beruht damit im Ergebnis auf sachfremden Gründen (E. 5.4).
Ich habe die ganze aus Opfersicht verfolgt und für mich ist das Problem nicht, dass man einem Täter ein 30’000.- „Sondersetting“ zahlt. Mein Problem ist, dass man den Opfern nicht auch ein 30’000.- „Sondersetting“ zahlt.
Und ich sehe es genau so mit dem plötzlichen Abbruch, das war genau so unsauber und ganz klar eine Reaktion auf den öffentlichen Aufschrei als man erfahren hat, dass man einem Täter ein 30’000.- „Sondersetting“ bezahlt bei dem sogar Kickboxtraining dazu gehört.
Ich bin mir sicher, es hätte weniger bis kein Aufschrei gegeben, würde man bei den Opfer auch so grosszügig „Sondersettings“ bezahlen. Ich finde nämlich das sollte in der Waage sein, zumindest sollte für Täter keinesfalls mehr bezahlt werden als man für deren Opfern zahlt.
Doch wenn ich sehe wie es bei mir lief, wo ich als Opfer jahrelang vergeblich um die Finanzierung von Therapien kämpfen musste, die ich notabene nur aufgrund dessen was mir von Tätern angetan wurde benötige. Dann habe ich mühe damit wenn ich dann hören muss, dass man einem Täter einfach so mal ein 30’000.- „Sondersetting“ bezahlt.
Weil für mich sieht es dann so aus wie wenn man als Opfer für das erlittene Unrecht bestraft wird, während die Täter dafür auch noch belohnt werden. Mir ist schon klar das man die Täter resozialisieren will und das was kostet, doch ich finde auch die Opfer haben dann ein Recht auf eine „Resozialisierung“.
Wenn ich jedoch als Opfer, wie bei mir geschehen, nur schon um die Finanzierung von Therapien kämpfen muss und am Ende ohne da stehe, während dem man den Tätern alles einfach so bezahlt … dann macht mich das wütend! Und dann ist es nicht mehr weit bis zum Aufschrei und dem verlangen nach härteren Strafen, mehr Verwahrung, Abschaffung von allen Sondersettings, Abschaffung jeglicher Resozialisierung bei Tätern und stattdessen Einkerkerung oder wiedereinführen der Todesstrafe.
Und solche Fälle wie der Fall Carlos bestätigen diese Diskrepanz zwischen Tätersorge und Opfersorge nur noch und solange diese Diskrepanz anhält darf man sich nicht wundern wenn es zum Aufschrei kommt. Und das in den Medien auch noch dauernd über gehätschelte Täter berichtet wird, macht das ganze nur noch schlimmer.
Auch was das Bundesgericht betrifft habe ich nun leider das Gefühl, dass es täterfreundlich und opferfeindlich urteilt, mag zwar objektiv falsch sein aber rein subjektiv empfinde ich es nun nach meinen Bundesgerichtserfahrungen als Opfer eben so.
Und von irgendwoher müssen ja Gedanken wie „Wenn man als Opfer Hilfe bekommen will, muss man erst zum Täter werden!“ ja herkommen….
Die Medien drehen sich mit dem Wind, wie es der Oberjugendanwalt und der Regierungsrat taten. Diese konnten es allerdings nur einmal, die Medien können beliebig weiter flattern – in diesem Fall und heutzutage fast überall.