Chancenlose Beschwerde gegen Einziehungsbeschlagnahme
Zur Sicherung der richterlichen Einziehung werden die einzuziehenden Gegenstände und Vermögenswerte oft im Vorverfahren beschlagnahmt (Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO). Dagegen gerichtete Beschwerden haben einen schweren Stand, was das Bundesgericht in einem neuen Entscheid bestätigt (BGer 1B_275/2013 vom 28.10.2013). Es geht um die Beschlagnahme eines Personenwagens, mit dem ein „Raserdelikt“ i.S.v. Art 90 Abs. 3 und 4 SVG begangen worden sein soll (145 statt 60 km/h).
Das Bundesgericht bereitet der Abweisung der Beschwerde gleich zu Beginn seines Entscheids den Weg und betont, dass es eine Beschlagnahme nur aufhebt, „wenn ihre Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind“:
Nach der Rechtspr[rech]ung des Bundesgerichts zu den altrechtlichen kantonalen Strafprozessordnungen, die weiterhin Geltung beanspruchen kann, setzt die Einziehungsbeschlagnahme voraus, dass ein begründeter, konkreter Tatverdacht besteht, die Verhältnismässigkeit gewahrt wird und die Einziehung durch den Strafrichter nicht bereits aus materiellrechtlichen Gründen als offensichtlich unzulässig erscheint. Entsprechend ihrer Natur als provisorische (konservative) prozessuale Massnahme prüft das Bundesgericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Beschlagnahme – anders als der für die (definitive) Einziehung zuständige Sachrichter – nicht alle Tat- und Rechtsfragen abschliessend; es hebt eine Beschlagnahme nur auf, wenn ihre Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind (Urteil 1B_98/2013 vom 25. April 2013 E. 2.1, zur Publikation vorgesehen; BGE 124 IV 313 E. 4 S. 316; vgl. auch BGE 128 I 129 E. 3.1.3 S. 133 f.; 126 I 97 E. 3d/aa S. 107; Urteile 1B_711/2012 vom 14. März 2013 E. 3.1; 1B_397/2012 vom 10. Oktober 2012 E. 5.1; 1B_252/2008 vom 16. April 2009 E. 4.3) [2.1].
Schwierigkeiten bereitet der Umstand, dass die zu sichernde Einziehung den Täter (der ja erst Beschulidgter ist) von weiteren groben Verkehrsregelverletzungen abgehalten werden kann. Dazu braucht man bekanntlich kein eigenes Auto. Im vorliegenden Fall knüpft das Bundesgericht wohl deshalb an den konkreten Wagen an. Das sehr leistungsstarke, sportliche „Tatfahrzeug“ begünstige „weitere Geschwindigkeitsexzesse“ des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer 1 ist einer qualifiziert groben Verkehrsregelverletzung im Sinn von Art. 90a Abs. 3 und 4 SVG dringend verdächtig, mithin eines Verbrechens und damit einer Straftat, deren Schwere die Einziehung eines Personenwagens rechtfertigen könnte. Damit liegt es im Bereich des Möglichen, dass diese Straftat die Einziehungsvoraussetzung von Art. 90 Abs. 1 lit. a SVG erfüllt. Das Gleiche gilt für die Voraussetzung von lit. b: Der Beschwerdeführer 1 hat verschiedene Gefängnis- und eine Zuchthausstrafe erwirkt und wurde auch zweimal wegen grober Verkehrsregelverletzungen verurteilt. Zudem sind weitere Strafuntersuchungen gegen ihn hängig, wobei es auch um Strassenverkehrsdelikte geht. Es könnte durchaus sein, dass das sehr leistungsstarke, sportliche Tatfahrzeug weitere Geschwindigkeitsexzesse des Beschwerdeführers 1 begünstigt. Dessen Einziehung fällt daher aus materiellrechtlichen Gründen nicht von vornherein ausser Betracht, womit die zu ihrer Sicherung erfolgte Beschlagnahme grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (E 2.4.3).
Unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit prüfte das Bundesgericht, ob die Beschlagnahme des Fahrzeugs zur Sicherung einer allfälligen Einziehung erforderlich ist:
Der unter anderem auch wegen Verkehrs- und Vermögensdelikten massiv vorbestrafte Beschwerdeführer 1 ist bereits wieder in Strafverfahren verwickelt; er scheint Mühe zu haben, sich gesetzeskonform zu verhalten und bietet daher keine Gewähr, sich den Konsequenzen einer allfälligen Verurteilung zu unterziehen und das Fahrzeug im Fall einer Einziehung herauszugeben; daran ist umso mehr zu zweifeln, als die Eigentumsverhältnisse am Fahrzeug offenbar nicht restlos geklärt sind. Eine mildere Massnahme, den Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf das Fahrzeug zu sichern, ist nicht ersichtlich. Insgesamt erscheint die Beschlagnahme daher auch unter diesem Gesichtspunkt vertretbar (E. 2.4).
Mich hätte unter Verhältnismässigkeitsaspekten hier eher interessiert, wie es sich mit der Eignung verhält. Das Bundesgericht hätte hierzu aber wohl wie bei Art. 90 Abs. 1 lit. b SVG argumentiert (E. 2.4.3).
Das man echte Raser hart anfasst ist gut nachvollziehbar.
Doch wie steht es mit der Gewährleistung der Eigentumsgarantie (Art. 26 der Bundesverfassung). Müsste da ein Einzug von Privateigentum nicht vollständig entschädigt werden?
Folgefragen
Und was würde mit dem Fahrzeug geschehen, wenn dieses nicht dem fehlbaren Lenker sondern einem anderen Eigentümer gehört?
Würde dann ein allfälliges anderes Fahrzeug des Lenkers eingezogen, sofern er überhaupt über ein solches verfügt? (Kausalzusammenhang / Rechtsgleichheit) ?
Zur Eigentumsgarantie: Dann sollte man konsequenter Weise eine eingezogene Mordwaffe (z.B. eine Pistole) entschädigen? Oder Drogen – die haben ja auch einen Gegenwert? Scheint mir eine kühne Überlegung…
Die strafrechtliche Beschlagnahme/Einziehung hat mit den privatrechtlichen Verhältnissen wenig bis nichts zu tun. Wenn das Fahrzeug geleast ist, ist es eben der Leasinggeber, der sich dann bemühen muss bzw. zivilrechtliche Ansprüche gegen den Raser geltend machen kann… Geschäftsrisiko der Leasinggeber…
Zu euren gestellten Fragen: Die Einziehung und Verwertung von Motorfahrzeugen, die zur Begehung von SVG-Delikten gedient haben, ist seit 1.1.2013 in Art. 90a SVG speziell geregelt. Es fragt sich dabei aber, wie sich dieser Artikel im Verhältnis zu Art. 69 StGB verhält. Ich empfehle dazu den Aufsatz von Florian Baumann/Cornelia Stengel im Jusletter vom 25. November 2013.
Nach konstanter Rechtsprechung und h.L. ist die Sicherungseinziehung einen Eingriff in die verfassungsmässig garantierte Eigentumsgarantie dar. Sie ist deshalb nur zulässig, sofern der Eingriff auf einer gesetzl. Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse steht und verhältnismässig ist. Das BGer hat diesbezügl. schon lange festgehalten, dass der Verhältnismässigkeitsgrundsatz u.U. die Herausgabe des allfälligen Verwertungserlöses an den Berechtigten bzw. Täter nach sich zieht. Nach bger Rechtsprechung zu Art. 69 StGB ist ein Fahrzeug allerdings nicht einzuziehen, wenn es im Eigentum eines Dritten steht (z.B. Leasinggesellschaft) und nach der Rückgabe als harmlos erscheint. Dieser Grundsatz hat wohl auch unter dem neuen Art. 90a SVG zu gelten.
Neu ist in Art. 90a Abs. 2 SVG Folgendes: Der Entscheid über die Verwendung des Verwertungserlöses wird nun in das Ermessen des Gerichtes gestellt, was sehr fragwürdig erscheint.
Und: Auch wenn der Raser mehrere Autos hat, kann nur dasjenige eingezogen werden, das konkret zur Begehung der Tat gedient hat