Chemische Kastration statt Verwahrung – Therapeut statt Gutachter

Das Bundesgericht (BGer 6B_645/2008 vom 03.02.2009) kassiertein vorinstanzliches Urteil, nach welchem der Beschwerdeführer hätte verwahrt werden sollen. Entgegen der Vorinstanz und im Grunde auch entgegen dem Gerichtsgutachter dürfe nicht 

gemäss Art. 64 Abs. 1 lit. b StGB angenommen werden, dass die “Anordnung einer Massnahme nach Art. 59 keinen Erfolg verspricht”, solange noch Therapiemöglichkeiten bestehen (…) (E. 3.3).

Im Einzlenen hielt es fest, dass der Gerichtsgutachter

in der hier entscheidenden Frage der Therapieaussichten nach dieser Behandlungsmehode nicht als Sachverständiger im Sinne von Art. 56 Abs. 3 und 4 StGB gelten

könne.

 

Dagegen beurteilte Dr. A. in seinem Therapiebericht vom 5. Dezember 2007 den Beschwerdeführer als geeignet und motiviert für diese antiandrogene Therapie mit LH-RH-Analoga, welche seine Prognose stark verbessern könnte (act. 756). An der Befragung in der Appellationsverhandlung bezeichnete er den bisherigen Therapieverlauf als eindeutig positiv (act. 958). Er wies weiter darauf hin, dass der Beschwerdeführer an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leide, aber nach PCL-R-SCORE nicht an einer Psychopathie. Wenn er im therapeutisch erreichten Zustand bleibe, könne er keine Sexualdelikte mehr begehen. Er könnte andere Delikte begehen, die aber weniger gewalttätig wären. Die Gefahr könne bei Alkohol- und Kokainkonsum wieder zunehmen. Die Psychotherapie sei in diesem “kastrierten Zustand” effektiver. Es brauche aber mindestens noch ein oder zwei Jahre deliktsorientierte Therapie. Wenn er sich Testosteron spritzen würde, wäre die Therapie gescheitert. Es müsse ihm klar gemacht werden, dass dies die letzte Möglichkeit sei, ihn zu behandeln (act. 954).
Während somit Dr. A. die von ihm vorgeschlagene Methode ausführlich erläuterte und sie beim Beschwerdeführer nach seiner Darstellung erfolgreich anwandte, fehlte es dem Gutachter in dieser Frage an Erfahrung und Sachkenntnis. Diese Therapieform kann nicht bloss als vage Hoffnung bezeichnet werden, wie das die Vorinstanz gestützt auf den Gutachter tut. Dr. A. erforscht diese neue Therapiemethode wissenschaftlich. Seine Ausführungen geben die Resultate der beim Beschwerdeführer tatsächlich durchgeführten Therapie wieder. Somit lässt sich nicht mit haltbaren Gründen annehmen, der Beschwerdeführer müsse mangels Therapierbarkeit gemäss Art. 64 Abs. 1 lit. b StGB verwahrt werden. Vielmehr hätte die Vorinstanz eine sachverständige Begutachtung dieser Therapie anordnen müssen (E. 3.3, Hervorhebungen durch mich).
Insbesondere die Tatsache, dass das Bundesgericht die Einschätzung des  Therapeuten über diejenige des Gutachter stellt, lässt aufhorchen, zumal in E. 3.1 noch daruf hinweist, dass
die Begutachtung durch einen Sachverständigen vorzunehmen, der den Täter weder behandelt noch in anderer Weise betreut hat (Art. 56 Abs. 4 StGB).
Im vorliegenden Fall stand aber immerhin fest, dass der Gutachter für die entscheidende Frage gar kein Fachmann war. Dass dies erst vom Bundesgericht festgestellt wurde, erstaunt hingegen.