CHF 100.00 pro Tag
Das Bundesgericht greift bei der Bemessung der Genugtuung nur zurückhaltend in das Ermessen der Vorinstanzen ein. Das erfährt ein Untersuchungshäftling, welcher 151 Tage lang im Kanton Genf in Untersuchungshaft war. Ursprünglich waren ihm CHF 200.00 pro Tag zugesprochen worden. Das Obergericht halbierte auf CHF 100.00/Tag und das Bundesgericht bestätigt den Entscheid (BGer 6B_1374/2021 vom 18.01.2023). Schliesslich habe die Haft keinen wesentlichen Einfluss auf seine Lebensumstände gezeitigt.
Das interessanteste Argument des Bundesgerichts ist, dass das mit der unrechtmässigen Haft verbundene Gefühl der Ungerechtigkeit und Frustration. welches der Beschwerdeführer erfahren haben will (das Bundesgericht scheint es ihm nicht abzunehmen), bei Freigesprochenen üblich sei:
En effet, la juridiction précédente était fondée à tenir compte du fait que le recourant n’avait pas spécialement mal vécu sa détention et que celle-ci ne lui avait pas causé de souffrances particulières (cf. arrêt 6B_909/2015 précité consid. 2.2.2). Elle pouvait en outre prendre en considération le fait que ses conditions de vie n’avaient pas considérablement changé d’un point de vue professionnel et social du fait de sa mise en détention provisoire dans la mesure où il était célibataire, sans enfant et en situation irrégulière; cet élément justifie une réduction de l’indemnité (cf. arrêts 6B_909/2015 précité consid. 2.2.2; 6B_196/2014 du 5 juin 2014 consid. 1.4). Elle a également relevé que le recourant n’avait subi aucune dégradation de sa situation financière, dès lors qu’il était sans emploi durant la période en cause. En outre, la cour cantonale était fondée à retenir que le sentiment de frustration et d’injustice que le recourant disait avoir ressenti était commun à toute personne placée en détention avant qu’une décision d’acquittement ne soit rendue et ne constituait pas encore un facteur aggravant (cf. arrêt 6B_909/2015 précité consid. 2.2.2). Pour le reste, l’autorité cantonale a relevé que le recourant n’avait pas démontré que la détention aurait nui à sa réputation, ni n’avait fait état d’atteintes concrètes s’agissant des conditions de celle-ci, étant rappelé qu’il appartient au demandeur d’invoquer et de prouver les atteintes subies (ATF 135 IV 43 consid. 4.1 p. 47; 117 IV 209 consid. 4b p. 218; arrêt 6B_909/2015 précité consid. 2.2.1) [E. 3.2, Hervorhebungen durch mich].
Solche Kriterien erachte ich schon deshalb als fragwürdig, weil sie letztlich ein Preisschild an die Lebenszeit eines Häftlings heften. Ein gesellschaftlich integrierter Ehemann und Familienvater mit geregeltem Einkommen und Mitgliedschaft im Männerchor hätte das Doppelte gekriegt.
Bei ausländischen LKW Fahrers wird die Genugtuung von 200 Chf. auf 100, bzw 150 oder sogar 50 CHF reduziert mit der Begründung der niedrigeren Lebenshaltungskosten in Osteuropa.
Solche Urteile sind Wasser auf den Mühlen von Chinesen, Amerikanern und Russen das Europäische Rechtssystem sei willkürlich, fremdenfeindlich und unfair. Gerade US Amerikaner pochen mit Fug und Recht auf Schiedsgerichtssysteme und der Zar in Moskau erklärt immer erfolgreicher schaut auf diese Urteile. US Konzerne wollen ihre Investitionen nicht durch Gerichte in Gefahr sehe. In der Ukraine wird unter dem Deckmantel des Angriffskrieges das Schiedsgerichtssystem integriert, auch mit der Begründung das Germano-romanische Recht sei zu willkürlich und verweist auf immer fragwürdige Urteile aus den Ländern des Europarates.
Weder die amerikanische noch die russische Justiz eignen sich für Europa als Vorbild. Wenn Russland mit dem Finger auf Europa zeigt, dann nur um von den eigenen Problemen abzulenken und das eigene Volk zu manipulieren. Solche heuchlerischen Argumente taugen nichts, für einen – selbstverständlich notwendigen – Diskurs über unsere eigene Justiz.
@Thomas Lieven: So ist es. Wir waren immer und sind weiterhin die Besten.
Es geht in diesem Land schon lange nicht mehr um Recht und Rechtsprechung, Prozessökonomie ist die absolut oberste Maxime der Strafverfolgung, nicht etwa die Wahrheitsfindung oder gar Gerechtigkeit, wichtig ist alleine das es prozessökonmisch ist.
Ich bin auf dem Platzspitz aufgewachsen und war in 19 Heimen, die 3 mal Uhaft (ohne das ich je für mehr als Übertretungen verurteilt wurde) empfand ich als das schlimmste was mir im Leben passiert ist….immerhin wurde meine Entschädigung seinerzeit erhöht (wegen Menschenrechtsverletzungen in Uhaft)
Manchmal verbessern sich die Lebensumstände des Verhafteten im Gefängnis auch, z.B. bei einem Obdachlosen, der in einem kalten Winter – zwar unschuldig – inhaftiert wird. Dann müsste er eigentlich noch etwas bezahlen anstatt eine Genugtuung zu erhalten.
@DR: das war doch früher gesetzlich vorgesehen. Im Aargau, wenn ich mich jetzt nicht ganz täusche.
In der Schweiz muss ja niemand Obdachlos sein, jeder würde vom Sozialamt ein Dach bekommen, ausserdem gibt es Notschlafstellen, den Pfusbus und andere Institutionen, wenn also jemand im Winter draussen übernachtet ist das sein freier Wille.
Das Problem des Staates ist, das er meinz immer besser zu wissen was für die Leute gut ist wenn dem aber so ist, so sind wir keine freie Menschen die frei über unser Leben verfügen können. Die Aussage das alleine das jemand ein Dach über dem Kopf hat, seine Freiheit entzogen wird und damit sein freier Wille beäntrichtigt wird so zu leben wie er es möchte, bringt das ganz gut auf den Punkt, zur Persönlichen Freiheit gehört eben auch das wir akzeptieren das nicht alle das gleiche als Erstrebenswert empfinden, und es daher vermessen ist derart in die Leben der Betroffenen einzugreifen.
Das dies sogar mal noch Gesetz war, ist exemplarisch für dieses Land, das meint es hätte freie Bürger….