“Clan-Bildung” am Bundesstrafgericht?
Eine nicht bisher nicht veröffentlichte Analyse (vgl. dazu den heute erschienenen Beitrag in der NZZ) kommt zu Ergebnissen, welche m.E. die Legitimation des Bundesstrafgerichts zur Ausübung richterlicher Funktionen infrage stellen (Art. 30 Abs. 1 BV). Aus der NZZ:
Ein weiteres Problemfeld ortet die Mobbing-Expertin in der Bildung von Clans, wie sie es in ihrem Bericht nennt. Von solchen Gruppenbildungen seien fast alle Bereiche am Gericht betroffen. Als Folgen dieser Clan-Bildung werden unter anderem Loyalitätskonflikte genannt – die Erwartungshaltung, sich auf eine Seite zu schlagen, oder eine mögliche Ausgrenzung wegen der Zugehörigkeit zu gegnerischen Clans.
Insgesamt erweckt der unveröffentlichte Bericht der Mobbing-Expertin den Eindruck eines schwer belasteten Arbeitsklimas. Im Fall der neu geschaffenen Berufungskammer, wo die Zustände offenbar besonders gravierend sind, schlägt die Rechtsanwältin dem Team neben der Durchführung eines Coachings vor, sich auf einen «Waffenstillstand» zu verpflichten (Hervorhebungen durch mich).
Womöglich werden Parteien (inkl. BA) nun Auskunft darüber verlangen, zu welchem “Clan” die Richterinnen und Richter gehören, die in ihrer Strafsache bereits geurteilt haben oder noch urteilen werden.
Was ist denn Ihre Einschätzung zur Lage am Bundesstrafgericht? Werden die Probleme übertrieben oder ist da was dran?
@James: ich weiss es nicht.
Ad James Mc Cradden
Wieso sollten sie den übertrieben sein?
Experten machen sich tendenziell wichtig.
Allerdings gibt’s solche “Clans” wohl nicht nur am Bundesstrafgericht. Ich kann mich an einen Richter erinnern, der in der Kanzlei aufgrund einer Rückweisung einer anderen Abteilung vor Freude getanzt hat und wiederholt “sang” Willkürabteilung, Willkürabteilung …
Ich hoffe einfach , dass die Justizinitiative am 28. November angenommen werden wird und so die Chance schafft, dass fachlich kompetente unabhängige Richterinnen und Richter diesen unzumutbaren Zuständen ein Ende bereiten.
Leider war auch die Verwaltungskommission des BGer, die keine Erfahrungen in solchen Untersuchungen hat, nicht fähig, die Zustände zu beheben. Traurig. Vielleicht sollte man mit dem Parteien-Richter/innen Blödsinn doch aufhören…
Wie stehen Sie eigentlich zur (faktischen) Wahl des neuen Bundesanwaltes Stefan Blättler, Herr Jeker? M.E. muss man froh sein, dass sich überhaupt noch eine gestandene Person mit juristischem Fachwissen und Führungserfahrung für den Job gemeldet hat, nachdem was die Kommission da geboten hat.
@Tom: Ich kenne Blättler nicht. Ich traue ihm zu, dass er führen kann und das ist eine der wichtigsten Kompetenzen, die ein Bundesanwalt m.E. haben muss. Über seine Lehrtätigkeit höre ich unterschiedliches. Jedenfalls wird nun schon wieder einer Bundesanwalt, der m.W. selbst noch nie ein Strafverfahren geführt oder vor Gericht vertreten hat. Das ist sicher nicht optimal, aber auch kein Killer. Ich hoffe einfach, dass er seine neue Truppe besser im Griff haben wird, als seine früheren. Leichter zu führen dürfte sie aber eher nicht sein.
@kj: meines Erachtens ist “Führungskompetenz” die wichtigste Eigenschaft, die ein Bundesanwalt haben sollte. Es ist wie bei einem CEO eines grossen Unternehmens, der braucht auch nicht zusätzlich noch ein absoluter Fachspezialist zu sein. Für das hat er ja seine Leute….sprich die Staatsanwälte/ Staatsanwältinnen des Bundes…
Mit welcher Legitimität kann eine solche zerstrittene Organisation überhaupt noch sinnvoll Recht sprechen? Ohne Glaubwürdigkeit und Integrität kann doch die Justiz oder ein Gericht ihre Funktion gar nicht wahrnehmen. Für was braucht es überhaupt dieses Gericht? Kann man da nicht an kantonale Instanzen gelangen?
@ Einfacher Bürger
Ich stimme Ihnen hier aus dem Ausland zu bezüglich “sinnvoll Recht sprechen” zu.
Denke persönlich hat so ein Klima massiven Einfluss auf die Urteilssprechung wenn ein “Nebenrichter” einfach mal aus Angst nicht eine andere Meinung zu Protokoll zu bringen wagt und ein Urteilsprojekt eines Gerichtsschreibers einfach mal so durchwinkt. Am Obergericht Graubünden konnte man es ja sehen was Folgen so ein “Meinungsgang” eines einzelnen Richters für die Karriere dieses Richters am Obergericht hiess. Er wurde schlicht von Partei und Gericht verlassen und steht stellenlos da.
Weshalb es wohl auch kaum zu mündlichen Urteilsberatungen am Bundesstrafgericht oder Bundesgericht kommt. Entweder will man wohl die Kollegen nicht sehen oder hat schlicht Angst vor ihnen eine Meinung zu bekommen. Das erklärt wohl auch diese Gerichtsschreiberkultur in der Schweiz. Zwischenzeitlich kann ich am Gerichtsschreiber des Bundesgericht oder Bundesstrafgericht schon den Schreibstyl der Urteils erkennen.
Aber Sie sollten hier nicht überrascht sein. M.E. herrscht in vielen Stuben der Schweiz, Deutschlands oder meinem Land Litauen dieses Klima, Nur halt in unterschiedlicher Qualität. So sagte mir vor einiger Zeit ein pensionierter Gerichtspräsident in der Schweiz das an seinem Gericht solch wie in dem Artikel beschrieb ein ähnliches Klima herrschte, halt nur im kleineren Massstab. Ein anderer pensionierter Richter schilderte mir von massiven Mobbing und seiner Psychotherapie deswegen. Und er sei heil froh in die Pension “entkommen” zu sein. Richter oder Gerichtspräsidenten an seinem Bezirk wurde fast nicht gefunden, da sich dieses schlechte Klima rumsprach wollten viele Anwälte in dem Bezirk nicht eine Stelle dort.
In Litauen z.B. herrscht solch ein Klima nicht, dafür andere Probleme. Das hat hauptsächlich damit zu tun, dass die Richter auf Lebenszeit ernannt sind und von der Gerichtspräsidenten oder Politiker kaum gerügt werden können, bzw. solche Rügen (meist sehr lange Bearbeitungszeiten z.B.) an den Richtern abprallt. Die Stelle ist sicher und das monatliche EInkommen bis zum 60 Lebensjahr nebst Pensionsansprüchen gesichert.. Es ist finanziell interessant in Litauen ein Richter zu sein.
Vielleicht ist das ein Schlüssel in der Schweiz. Gute sichere Stellen für Richter, damit die nicht nebenamtlich als Mediator arbeiten müssen (siehe Kanton Solothurn).
Was ich toll finde an ihrem System. Es werden solche Untersuchungen öffentlich und sogar tatsächlich ausgeführt. Es zeigt ihre Presse nimmt die Kontrolle der Systeme ernst. Auch werden solche Analysen gemacht. Sie können sogar direkt demokratisch solch ein System ändern. Das ist auch Luxus und sollte genutzt werden.
Man solle immer im Kopf behalten, diese Richter entscheiden oft über die Existenz von Menschen.
Diese Clan-Bildung gibt es an dem kantonalen Gericht, wo ich arbeite, auch. Dort suchen die Richter:innen und Gerichtsschreiber:innen jeweils auch mehr oder weniger aktiv nach einer anderen Stelle aber finden nichts.
Darf man Fragen, an welchem Gericht Sie arbeiten?
Ich denke nicht das man solch eine Frage ohne gravierende Folgen bei ihnen beantworten kann