COVID-Strafrecht

Am 31. Oktober 2020 nahm ein Mann an einer Kundgebung teil, ohne die damals vorgeschriebene Maske zu tragen. Er wurde kontrolliert und im Strafbefehlsverfahren gebüsst. Zur Einspracheverhandlung wurde er nicht zugelassen, weil er keine Maske trug und sich zudem weigerte, sein ärztliches Attest vorzulegen, welches ihn von der Maskentragpflicht dispensierte. Dass er über ein Attest verfügte, stellte sich dann in einem anderen Verfahren heraus, worauf die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren einstellte. Es auferlegte dem Mann aber die Kosten, was die Justiz geschützt hat (BGer 6B_1433/2021 vom 03.03.2022).

In seiner Laienbeschwerde machte der Mann etliche Fehler, die eine Gutheissung der Beschwerde wohl verunmöglichten. Das Urteil taugt insofern nicht als Präjudiz für die Hunderten von offenen COVID-Strafverfahren. Interessant sind aber immerhin die Ausführungen des Bundesgerichts zur Kompetenz des Bundesrats, Strafbestimmungen auf Verordnungsstufe einzuführen. Hier der „Workaround“ des Bundesgerichts, auf den die meisten Strafbehörden nicht gekommen sind (und gestützt auf die Strafbestimmung der Verordnung verurteilt haben):

Aus dieser gesetzlichen Regelung ergibt sich, dass grundsätzlich sowohl die Kantone als auch (in der besonderen und ausserordentlichen Lage) der Bundesrat Massnahmen gegenüber der Bevölkerung zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten anordnen können (vgl. Urteil 2C_183/2021 vom 23. November 2021 E. 3.3 i.f., zur Publikation vorgesehen). Gemäss Art. 6c Abs. 2 der Covid-19-Verordnung besondere Lage in der damals geltenden Fassung, mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von politischen und zivilgesellschaftlichen Kundgebungen eine Gesichtsmaske tragen. Dabei galt eine Ausnahme für Personen, die nachweisen können, dass sie aus besonderen Gründen, insbesondere medizinischen, keine Gesichtsmasken tragen können (vgl. Art. 3b Abs. 2 lit. b Covid-19-Verordnung besondere Lage). Bei der Regelung von Art. 6c Abs. 2 Covid-19-Verordnung besondere Lage handelt es sich um eine Massnahme gegenüber der Bevölkerung im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. b EpG (vgl. auch Art. 1 Abs. 1 Satz Covid-19-Verordnung besondere Lage, wonach diese Verordnung Massnahmen gegenüber der Bevölkerung anordnet). Art. 83 Abs. 1 lit. j EpG bestimmt, dass mit Busse bestraft wird, wer sich Massnahmen gegenüber der Bevölkerung widersetzt. Auch wenn in dieser Bestimmung in der abschliessenden Klammer lediglich auf Art. 40 EpG verwiesen wird, umfasst die Übertretungsbestimmung aufgrund ihres klaren Wortlauts („Massnahmen gegenüber der Bevölkerung“) auch Massnahmen des Bundesrats (vgl. zum Ganzen auch BGE 147 I 478 E. 3.6 ff.). Demzufolge besteht mit Art. 83 Abs. 1 lit. j EpG eine formell-gesetzliche Grundlage. Der Auffassung des Beschwerdeführers, wonach sich die drohende Sanktion auf eine Strafbestimmung auf Verordnungsstufe stütze, ist nicht zu folgen (E. 3.3)