Das Bundesgericht als Strafverteidiger
Das Bundesgericht verweigert einem (ehemals notwendig amtlich verteidigten) Beschuldigten die amtliche Verteidigung, der mit seiner Laienbeschwerde nicht darlegen konnte, welche Beweisvorkehren an der Hauptverhandlung wiederholt oder neu angeordnet werden müssten. Das hätte natürlich eher für eine amtliche Verteidigung gesprochen.
Das Bundesgericht musste somit nachlegen, indem es festgestellt hat, dass solche Beweisvorkehren auch nicht ersichtlich seien (BGer 1B_313/2014 vom 04.02.2015). Dabei verkennt es m.E., dass es kaum in der Lage sein dürfte zu beurteilen, ob und welche Beweisanträge eine wirksame Verteidigung im konkreten Fall stellen müsste. Es kann jedenfalls nicht Aufgabe des Bundesgerichts sein, wie ein Verteidiger nach möglichen oder notwendigen Beweisanträgen zu forschen, was ein Verteidiger im Übrigen mit seinem Mandanten einlässlich besprechen müsste.
Weder droht dem Beschwerdeführer eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder eine freiheitsentziehende Massnahme, noch befindet er sich in strafprozessualer Haft. Wie die Vorinstanz zutreffend (…) erwogen hat, führt der blosse Umstand, dass er vor seiner Haftentlassung mehr als 10 Tage Untersuchungshaft absolviert habe, für sich alleine nicht zur Fortdauer der notwendigen amtlichen Verteidigung. Dass das Obergericht die allgemeinen Voraussetzungen der amtlichen Verteidigung (Art. 132 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2-3 StPO; s.a. Art. 29 Abs. 3 BV) verneint hat, hält vor dem Bundesrecht ebenfalls stand. Was der Beschwerdeführer vorbringt, lässt keine rechtlichen oder tatsächlichen besonderen Schwierigkeiten des Straffalles (im Sinne von Art. 132 Abs. 2 StPO) erkennen. Insbesondere legt er nicht dar und ist nicht ersichtlich, welche Beweisvorkehren (ausser seiner Befragung als Beschuldigter durch das Strafgericht) an der Hauptverhandlung wiederholt oder neu angeordnet werden müssten. Angebliche Staatshaftungsansprüche wegen ungerechtfertigter Haft bilden nicht Gegenstand des hängigen Strafverfahrens. Ebenso durfte die Vorinstanz mitberücksichtigen, dass der Beschwerdeführer prozesserfahren ist und gewisse juristische Kenntnisse hat. Die betreffenden Erwägungen der Vorinstanz beruhen nicht auf unhaltbaren Tatsachenfeststellungen. Der Beschwerdeführer bestreitet denn auch nicht, dass er es (vor der amtlichen Bestellung des notwendigen Verteidigers) unter ausdrücklichem Hinweis auf seine angeblichen eigenen Rechtskenntnisse ablehnte, einen geeigneten Rechtsvertreter zu bezeichnen (vgl. Art. 132 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 und Art. 133 Abs. 2 StPO) [E. 5, Hervorhebungen durch mich].
Wie gesagt: vielleicht hätte ein Verteidiger gesehen, welche Beweisanträge zu stellen sind. Vielleicht hätte er sogar gesehen, dass auch im Strafverfahren Entschädigungen geltend gemacht werden können, welche das Bundesgericht als Staatshaftungsansprüche qualifiziert.
Nach Ansicht des Bundesgerichts scheint es unter Umständen angebracht zu sein, den (nach 10 Tagen Untersuchungshaft eingesetzten) notwendigen (amtlichen) Verteidiger nach der Entlassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft wieder abzusetzen. Zwar mag das in einigen Fällen naheliegend erscheinen, wenn sich nach 15 Tagen Haft ergibt, dass dem Beschuldigten doch nichts bzw. nur eine minimale Übertretung vorzuwerfen ist. Allerdings ist wohl – wie von kj schon angetönt – nicht jeder Beschuldigte in der Lage, eine angemessene Entschädigung einzufordern.
Zudem verstehe ich Art. 130 Bst. a StPO offenbar anders als das BGer – von einem Ende der notwendigen Verteidigung nach der Entlassung aus der Haft ist darin keine Rede. Somit müsste meines Erachtens die notwendige Verteidigung bis zum Ende des Verfahrens andauern (natürlich abgesehen vom bundsgerichtlichen Verfahren). Da dem Verteidiger nur die notwendigen Leistungen entschädigt werden, ist ohnehin sichergestellt, dass er keinen unnötigen Aufwand betreibt.
Meines Erachtens müsste ein notwendige Verteidigung schon bei Beginn der Untersuchungshaft einsetzen, da dort entscheidende Weichen gestellt werden. Man mag einwenden, dass Beschuldigte auch selber einen (amtlichen) Verteidiger verlangen können. Allerdings dürften einige ihre Kenntnisse, die Fähigkeiten einiger Staatsanwälte/innen und die Neutralität einiger Haftrichter/innen überschätzen.
@Malo: Es gibt schon ein ZMG, welches den Fall des Haftantrags als notwendige Verteidigung qualifiziert. Ich bin auch der Meinung, dass eine einmal als notwendig anerkannte Verteidigung eine notwendige bleiben muss. Es kann nicht sachgerecht sein, dass die Verfahrensleitung, die immerhin im Hauptverfahren zur Gegenpartei wird, die notwendige Verteidigung wieder in Abrede stellen kann.
Interessante Haltung dieses ZMGs. Es gibt aber auch ein ZMG, das zum inhaftierten, nicht Deutsch sprechenden, mittellosen Beschuldigten, der einen Anwalt verlangt, sowas sagt wie: Den müssen Sie selber aufbieten und selber bezahlen.