Das Bundesgericht und die Untersuchungstaktik

Mit der Publikation eines Entscheids (BGer 1B_230/2013 vom 26.07.2013) führt das Bundesgericht eine von ihm selbst auf Beschwerde der anordnenden Staatsanwaltschaft hin genehmigte Telefonüberwachung gleich wieder ad absurdum. Der heute ins Netz gestellte Entscheid betrifft nämlich die Genehmigung einer Telefonüberwachung (Direktschaltung), die noch bis 25. September 2013 dauern soll, jetzt aber wohl keinen Sinn mehr macht.

Im vorliegenden Fall hatte das zuständige ZMG die Genehmigung für die Überwachung aus zwei Gründen verweigert. Die Staatsanwaltschaft habe die Verdichtung des Tatverdachts nicht hinreichend belegt und sie habe auch nicht dargelegt,  inwiefern eine “rechtsgenügende Wahrscheinlichkeit” bestehe, mittels Telefonüberwachung “den erstrebten Beweis zu finden”.

Das Bundesgericht betont einleitend, was nicht zu seinen Aufgaben gehört:

Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat das Bundesgericht bei der Überprüfung des dringenden Tatverdachtes keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen (E. 5.1.1).

Nach dieser Erwägung würde man an sich erwarten, dass der Entscheid der Vorinstanz bestätigt wird. Die Vorinstanz ist zwar auch keine sachrichterliche, verfügt aber im Gegensatz zum Bundesgericht umfassende Kognition in Sachverhaltsfragen. Die Frage der Kognition stellt sich das Bundesgericht hier aber gar nicht, sondern erinnert daran, dass ein dringender Tatverdacht so dringend gar nicht sein muss:

Es genügt dabei der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte (vgl. BGE 137 IV 122 E. 3.2 S. 126; 124 IV 313 E. 4 S. 316; 116 Ia 143 E. 3c S. 146) [E. 5.1.1].

Das Zwecktauglichkeitsargument der Vorinstanz schmettert das Bundesgericht kurzum wie folgt ab:

Im Gesuch wird aufgezeigt, dass nach wie vor diverse Unklarheiten bezüglich des Tatablaufs und des Tatmotivs bestünden. Auch sei die Tatwaffe noch nicht gefunden worden. Diesbezüglich seien aufgrund der bisherigen Untersuchungsmassnahmen keine sachdienlichen Ermittlungsperspektiven mehr ersichtlich. Von der beantragten Überwachung der Telefonanschlüsse verspricht sich die Staatsanwaltschaft “neue Erkenntnisse in Bezug auf allfällige Mittäter oder Mitwisser, den effektiven Tatablauf und allenfalls auch über den Verbleib der Tatwaffe”. Von einer unzulässigen “fishing expedition” kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein (E. 5.2).

Und was bitte wäre dann eine unzulässige “fishing expedition”? Aber egal. Durch Publikation des Entscheids ist es das Bundesgericht selbst, das die letzte sachdienliche Ermittlungsperspektive zumindest gefährdet.