Das E-Mail als Beweisurkunde

In einem zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid (BGE 6B_130/2012 vom 22.10.2012) hatte das Bundesgericht folgenden von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zu entscheiden:

Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe bei sich zu Hause mehrfach an ihn gerichtete E-Mails von Drittpersonen inhaltlich abgeändert und diese zu Beweiszwecken an verschiedene Geschädigte weitergeleitet. Er habe somit Urkunden Dritter verfälscht, indem er diesen Aussagen unterschoben habe, welche sie nie gemacht hätten, um sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen (E. 5.2).

Erste und zweite Instanz waren sich uneinig, ob ein E-Mail ohne elektronische Signatur überhaupt als Urkunde im Sinne von Art. 110 Abs. 4 StGB gelten könne. Das Bundesgericht schliesst sich der zweiten Instanz an:

Ausser Frage steht zunächst, dass E-Mails Urkunden darstellen, wenn sie beim Empfänger ausgedruckt werden, d.h. wenn die Daten sichtbar gemacht werden, sofern der Aussteller erkennbar ist (…). Wie die Vorinstanz zutreffend annimmt, kommt aber auch dem noch nicht ausgedruckten E-Mail grundsätzlich der Charakter einer (Computer-)Urkunde zu. Dabei erfüllt die Verfälschung eines E-Mails ohne weiteres den Tatbestand der Urkundenfälschung, soweit dieses nach der Manipulation weiterversendet wird und seinen Adressaten erreicht. Der Täter setzt dadurch einen Prozess in Gang, der die Speicherung der Datenurkunde zur Folge hat (…). Die Erkennbarkeit des Ausstellers ergibt sich hier in der Regel, wenn nicht schon aus der Absenderadresse (…), jedenfalls aus dem Inhalt des E-Mails. Dieses wird dem Empfänger auf seinem E-Mail-Account zugestellt und gespeichert, auf welchen nur mittels Passwort zugegriffen werden kann. Hieraus folgen Beständigkeit und Beweisfunktion der Erklärung. Beweiseignung und -bestimmung ergeben sich darüber hinaus auch aus dem Umstand, dass E-Mails im regulären Geschäftsverkehr weit verbreitet sind (…). Die Auffassung, wonach nur eine elektronische Signatur die Authentizität des Absenders zu bestätigen vermöge, beruht auf einem Missverständnis des Kriteriums der Beweiseignung, welche nicht mit Beweiskraft oder Beweisdienlichkeit gleichgesetzt werden darf (…) [E. 5.4].

Der Entscheid erscheint als richtig. Im Sinne der Einheit der Rechtsordnung könnte man ja nun auch in anderen Bereichen auf die Schriftlichkeit verzichten, etwa bei Eingaben an die Gerichte.