Das Ende des Anklageprozesses?

Das Bundesgericht schient mit einem neuen Entscheid den modernen Anklageprozess auszuhebeln und dem Sachrichter Aufgaben zuzuschanzen, die eigentlich den Strafverfolgungsbehörden zustünden (BGer 6B_288/2015 vom 12.10.2015).

Es kassiert im Ergebnis einen Freispruch, weil die Vorinstanz “in dubio reo” entschieden hat. Diese Regel komme “sachlogisch” nur zur Anwendung, wenn alle notwendigen Beweise erhoben wurde. Das sicherzustellen ist offenbar nicht mehr die Aufgabe der Staatsanwaltschaft.

1.5.3. Nur wenn die Strafbehörden ihrer Amtsermittlungspflicht genügen, dürfen sie einen Sachverhalt als erwiesen (oder nicht erwiesen) ansehen und in freier Beweiswürdigung darauf eine Rechtsentscheidung gründen (…). Der Grundsatz “in dubio pro reo” kann sachlogisch erst zur Anwendung kommen, wenn alle aus Sicht des urteilenden Gerichts notwendigen Beweise erhoben wurden. Nur wenn nach einer Gesamtwürdigung derselben nicht zu unterdrückende Zweifel am Anklagevorwurf verbleiben, ist die beschuldigte Person freizusprechen. Der Beschwerdeführerin kann auch nicht vorgeworfen werden, die Abnahme der der Vorinstanz notwendig erscheinenden Beweise treuwidrig nicht beantragt zu haben. Gestützt auf die bereits erhobenen Beweise sieht die Beschwerdeführerin den Vorwurf gemäss Anklageschrift I Ziff. 7 als erwiesen an. Zum gleichen Schluss kam auch das erstinstanzliche Gericht, während der Beschwerdegegner stets bestritt, mit dem Einbruch vom 24. Dezember 2012 etwas zu tun zu haben. Für die Beschwerdeführerin bestand aufgrund der unveränderten Ausgangslage demnach kein Anlass, im durch den Beschwerdegegner angestrengten Berufungsverfahren weitere Beweisabnahmen zu beantragen.

1.5.4. Der Vorinstanz und dem Beschwerdegegner ist zuzustimmen, dass es primär Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist, den Sachverhalt zu ermitteln und die erforderlichen Beweise zu erheben (…). Dennoch kann es im Einzelfall und mit Blick auf das Ziel der Erforschung der materiellen Wahrheit erforderlich sein, dass die Gerichte eine aktive Rolle bei der Beweisführung einnehmen und unterlassene Beweisabnahmen von Amtes wegen nachholen (…). Dies gilt selbstredend gleichermassen für belastende wie entlastende Umstände (vgl. Art. 6 Abs. 2 StPO). Auch das Berufungsgericht kann unter Umständen gehalten sein, zusätzliche Beweise zu erheben (…). Gerade in Fällen wie dem vorliegenden, wo aufgrund von Indizien zu entscheiden ist, kann nicht allgemein gesagt werden, wann die Indizienkette geschlossen ist und auf weitere Beweisabnahmen verzichtet werden kann. Dies ist vielmehr eine Ermessensfrage. Hegt das Berufungsgericht Zweifel an der von der Staatsanwaltschaft und der ersten Instanz als geschlossen betrachteten Indizienkette, weil gewisse aus seiner Sicht notwendige Beweise nicht erhoben wurden und ist deren Abnahme noch möglich, hat es diese selbst zu erheben.
Ich warte darauf, dass das Gericht dann einmal entlastende Beweismassnahmen anordnet, welche die Verteidigung für nicht notwendig erachtet hat.