Das Gebot der „reformatio in peius“
Eigentlich soll das Verbot der „reformatio in peius“ (Art. 391 Abs. 2 StPO) sicherstellen dass einem Verurteilten kein Nachteil entsteht, wenn er ein Urteil anficht. In einem neuen Grundsatzurteil hat das Bundesgericht das Verbot der reformatio weiter geschwächt (BGer 6B_805/2018 vom 06.06.2019), diesmal im nachträglichen Verfahren.
Gemäss Bundesgericht ist es zulässig, im Rechtsmittelverfahren nebst der Strafe eine stationäre Massnahme anzuordnen, die vor erster Instanz kein Thema war. In der Begründung führt das Bundesgericht u.a. aus, dass dies ja im Interesse des Betroffenen liege:
Die Behandlung der Suchterkrankung liegt im Interesse des Betroffenen, womit die Grundlage geschaffen werden soll, damit er nicht rückfällig wird. Daneben wird mit einer stationären Massnahme dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit Rechnung getragen. Die Massnahme wird damit unter anderem auch im Interesse der verurteilten Person angeordnet. Sie hat Vorrang vor einer Bestrafung (BGE 144 IV 113 E. 4.3 S. 116 f. mit Hinweisen). Das Schlechterstellungsverbot steht der Aussprechung einer stationären Massnahme im Rechtsmittelverfahren auch bei nachträglichen Verfahren im Sinne von Art. 363 StPO nicht entgegen (E. 1.3.3).
Dass diese Argumentation nicht allzu überzeugend ist, sagt das Bundesgericht indirekt gleich selbst. Die Betroffene hätte ihr Rechtsmittel ja zurückziehen können:
Die Vorinstanz hat sie ausdrücklich auf die in Aussicht genommene Möglichkeit einer stationären Massnahme hingewiesen und sie hierzu angehört. Mit dem vorliegenden Verfahrensausgang war daher zu rechnen, zumal die Beschwerdeführerin selbst eine (ambulante) Massnahme beantragt hatte. Es hätte ihr freigestanden, diesen Verfahrensausgang mittels Rückzugs des Rechtsmittels abzuwenden (E. 1.3.4, Hervorhebungen durch mich).
Die Betroffene wird sich leicht verschaukelt fühlen und ich kann es nachvollziehen.