Das Strafgericht als Auslaufmodell
In einem aktuellen Beitrag äussert sich Niklaus Oberholzer wie folgt zur Stellung der Staatsanwaltschaft im heutigen Strafprozess:
Die Staatsanwaltschaft ist zur eindeutigen Hauptakteurin im Strafverfahren geworden und hat den Gerichten längst den Rang abgelaufen. 98% aller verurteilenden Erkenntnisse erledigt sie mit Strafbefehl; in 2% der Fälle kommt noch ein Gericht zum Zug.38 In Nichtanhandnahme- und Einstellungsverfügungen entscheidet sie – gleich einem Gericht – über materielle Rechts- und formelle Beweisfragen.39 Selbst in den wenigen Fällen, in denen noch ein Gericht bemüht wird, hat sie die Weichen schon längst in der Untersuchung gestellt.
Niklaus Oberholzer, Die Staatsanwaltschaft zwischen Hammer und Amboss, in: Jusletter 24. Januar 2022
Wo die Staatsanwaltschaft im staatsrechtlichen Gewaltengefüge steht, weiss man in der Schweiz übrigens bis heute nicht so genau. Dazu Oberholzer:
Obwohl Funktion und Aufgaben der Staatsanwaltschaft des 19. mit denjenigen des 21. Jahrhunderts nicht vergleichbar sind, ist auch heute noch nicht klar, wo sie im Gefüge der Staatsgewalten stehen soll. Ist sie eine Verwaltungsbehörde, die der Regierung untersteht oder ist sie doch eher zu den Justizbehörden zu zählen, die frei von äusseren Direktiven unabhängig und allein dem Recht verpflichtet sind?
Das sehe ich allerdings anders. Nach dem Strafverfolgungsmodell der StPO kann m.E. kein Zweifel daran bestehen, dass die Staatsanwaltschaft eine reine Exekutivbehörde ist und auch sein muss. Sie unterscheidet sich von anderen Exekutivbehörden an sich nur dadurch, dass sie keiner Weisungsberechtigung der Regierung unterstellt ist (Art. 4 StPO).
Ähm, das ist ja wohl ein gewichtiger unterschied… die regierung kann aber wohl strategische schwergewichte fordern. Z. B. Mehr wirtschaftskriminalität verfolgen oder mehr terrorismus etc. Ich glaube gerichte sind da ihrer natur nach zurückhaltender. Unter gerichtlicher aufsicht besteht weniger die gefahr, dass die sta für irgendwelche zwecke ausserhalb des rechts gebraucht werden könnte.
nach meiner Erfahrung ist gerade in ihrem Entschädigungsverfahren welches sich reichlich oft an den eingestellten Strafverfahrenanschliesst sehr wohl zu erkennen das die Staatsanwaltschaft zu mindestens bei StPO 431, 429 etc.. sehr wohl Rücksprachen halten muss mit den vorgesetzten Staatsanwälten und/oder den zugehörigen Finanzdepartaments. Glauben doch nicht wirklich das ein Regionalstaatsanwalt einfach mal so fünfstellige oder sechsstellige Summen Entschädigungen zusprechen ohne die Exikutive oder die VOrgesetzten zum Erlaubnis zu bitten. Gerade in dem Entschädigungsverfahren ist zu erkennen, dass es weisungsgebundene Organe sind.
Eigentlich der helle wahnsinn, wenn es darum geht die Sanktion bzw strafbarkeit am Bürger zu bestimmen, dann kann der Regionalstaatsanwalt alleine darüber Entscheiden, Notabene kann er zB eine Strafe von 180 Tagessätzen a 3000 Franken auspreichen was die hälfte einer 7 Stelligen Zahl ergibt, soll er aber für den erlittenen Unbill (des Staates) eine Entschädigung formulieren dann Entscheiden darüber Dritte.
Ein weiteres beispiel das ein paar 10‘000 Franken deutlich über der Verfassung bzw den darin formulierten Bürgerrechten steht….wir sind kein Rechtstaat wir sind ein Geizhaus das alles der Prämisse die Kohle entscheidet unterwerfen
@John: Auch ein Strafbefehl wird nicht ohne Kontrolle eines Vorgesetzten rechtskräftig, meines Wissens in allen Kantonen (Art. 354 Abs. 1 lit. c StPO). Gleiches gilt aufgrund der Genehmigungspflicht bei Einstellungsverfügungen bereits beim Erlass (Art. 322 Abs. 1 StPO).
Bei der Ausgestaltung des Strafprozessrechts muss stets eine Balance zwischen Verfahrensökonomie und Rechtsstaatlichkeit gefunden werden. Ob in der aktuellen StPO dieser Punkt des angemessenen Gleichgewichts zwischen diesen Ansprüchen gefunden wurde, darf gerne hinterfragt werden.
Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass das Strafbefehlsverfahren durchaus im Interesse eines Beschuldigten sein kann, zumal es kostengünstig, effizient und mehr oder weniger schnell ist.
Die Staatsanwaltschaft ist eindeutig der Exekutive zuzurechnen. Sie ist aber bei weitem nicht die einzige Verwaltungsbehörde, die für Betroffene gewichtige Entscheide fällen kann. Wichtig ist, dass deren Verfügungen und Entscheide an eine gerichtliche Behörde weitergezogen werden können.
Ah ja ? Wo genau in der Verfassung steht etwas von Verfahrensökonomie? Wer entscheidet was Ökonomisch noch vertretbar ist und was nicht mehr ?
Sicherlich ist es (k)ein Zufall, dass während Verhandlungspausen die anwesenden Staatsanwältin:innen sich sehr beflissentlich ihren Telefonen widmen, um wohl wichtige Fragen mit den Richter:innen/und oder anderen Figuren der Justiz/Verwaltung zu besprechen um in der Folge zu einem rechtsstaatlich vertretbaren Urteil zu gelangen. Da effektive Verteidigung – wenn überhaupt in der Schweiz – nur im Vorverfahren möglich ist, kann man sich im Grunde genommen des Rest des innerstaatlichen Instanzenzuges sparen.
Als beschuldigte Person darf man also gemeinsam mit dem hoffentlich gut dotierten Anwalt Beweise manipulieren, unterdrücken und hemmungslos lügen, ohne sich dabei schämen zu müssen. Immerhin passt man sich lediglich den Methoden der Gegenseite an, die mindestens ähnlich agiert.
Bei der Erkenntnis wäre es effektiver gleich die ganze Energie wieder ins Delinquieren zu stecken, am Schluss gehts ja meist um Geld, das kann
Man dem Staat auch anderswie wieder abmehmen, dann kann der Staat seine Clownveranstaltungen aka Gerichtsverfahren mit sich selbst führen.
Delinquieren ist in der Schweiz gar kein Problem, wer in Zürich z.b. berufsbedingt Ware mit dem LKW ausliefert hat gar keine andere Wahl. Und da gefühlt 8 Millionen Polizisten in der Schweiz mit ausgeprägten Minderwertigkeitskomplexen existieren, wird sich sicherlich ein besorgter Bürger = Denunziant finden “der etwas melden möchte” 😉
So schliesst sich dann der Kreis.
Für mich ist die Staatsanwaltschaft ein Zwitterwesen. Formell muss sie wohl als Teil der Exekutive betrachtet werden. Materiell hat sie aber heute, vor allem wegen der erwähnten überragenden Wirkung des Strafbefels, eine gewichtige Juditaktivfunktion. Daran mag auch die Tatsache nichts ändern, dass jeder Strafbefehl vor Gericht gezogen werden kann.