Das Urteil im abgekürzten Verfahren
Das Bundesstrafgericht publiziert ein Urteil im abgekürzten Verfahren nach Art. 362 StPO (BStGer SK.2011.21 vom 15.12.2011).
Aus dem Urteil geht hervor, dass der zuständige Staatsanwalt des Bundes den oberen Strafrahmen völlig verkannte (4.5 statt 20 Jahre) und dem Beschuldigten für das abgekürzte Verfahren einen “Bonus” von einem Drittel zugestand:
8. Vom Einzelrichter im Hinblick auf die Hauptverhandlung speziell dazu aufgefordert, äusserte sich die Bundesanwaltschaft anlässlich der Hauptverhandlung zum Strafmass. Sie führte aus, dass aufgrund der Gesetzeskonkurrenz der obere Rand des Strafrahmens von 3 Jahren auf 4 1/2 Jahre Freiheitsstrafe erhöht sei (Art. 49 Abs. 1 StGB). Die Strafzumessungsfaktoren würden eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren rechtfertigen. In Anbetracht der Umstände für die Durchführung des abgekürzten Verfahrens sei eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren angezeigt; zusätzlich sei eine Busse zu verhängen. Mitberücksichtigt im Strafmass sei auch die Härte der Auslieferungshaft.
9. Es trifft zu, dass zwischen den angeklagten Tatbeständen echte Gesetzeskonkurrenz im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB gegeben ist. Insbesondere liegt eine solche zwischen den Tatbeständen des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273 StGB) einerseits und der Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses (Art. 162 StGB) andererseits vor, aber auch im Verhältnis zwischen Art. 273 StGB und der Verletzung des Bankgeheimnisses gemäss Art. 47 BankG, da mit diesen Bestimmungen verschiedene Rechtsgüter geschützt werden ( HOPF, Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2007, Art. 273 StGB N. 22 mit Hinweisen). Im Verhältnis zum Tatbestand der Geldwäscherei ist ausserdem Realkonkurrenz zu bejahen. Allerdings liegt vorliegend schon bei der schwersten angeklagten Tat, dem qualifizierten wirtschaftlichen Nachrichtendienst im Sinne von Art. 273 Abs. 3 StGB, der obere Rand des Strafrahmens bei 20 Jahren Freiheitsstrafe, während das Strafmaximum (nur) beim nicht schweren Fall bei einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren liegt ( HOPF, a.a.O., Art. 273 StGB N. 21; vgl. BGE 101 IV 177 E. II.4 und III.1). Aufgrund der Gesetzeskonkurrenz liegt der obere Rand des Strafrahmens somit bei 20 Jahren Freiheitsstrafe (Art. 49 Abs. 1 i.V.m. Art. 40 StGB), während die Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe (Art. 273 Abs. 3 StGB) zwingend zu überschreiten ist ( ACKERMANN, Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2007, Art. 49 StGB N. 49 und 50, mit Hinweisen).
Der Richter schien mit dem Strafmass nicht sehr glücklich zu sein:
10. Das Vorliegen eines schweren Falles von wirtschaftlichem Nachrichtendienst bestimmt sich anhand objektiver Kriterien, unabhängig von subjektiven Elementen (BGE 111 IV 74 E. 3; 108 IV 41 E. 2 und 3). Der angeklagte Sachverhalt erfüllt diese Kriterien zweifelsfrei, ist er doch mit dem BGE 111 IV 74 ff. zu Grunde liegenden Sachverhalt ohne weiteres vergleichbar ( a.a.O., E. 4c). Das (frühere) Bundesstrafgericht sprach im Jahr 1975 in einem schweren Fall von politischem, wirtschaftlichem und militärischem Nachrichtendienst aufgrund schweren Verschuldens sowie wegen weiterer Delikte als Gesamtstrafe i.S.v. Art. 68 Ziff. 1 aStGB Freiheitsstrafen von sieben Jahren aus (BGE 101 IV 177 E. III.1 S. 210). Den Ausführungen der Bundesanwaltschaft zum Verschulden von A., wonach dieser nicht die treibende Kraft gewesen sei, aber aus Geldgier gehandelt habe, kann zwar gefolgt werden. Der Einzelrichter stellt aufgrund der vorstehenden Erwägungen und angesichts der objektiven und subjektiven Tatumstände indes fest, dass die beantragte Strafe noch im Bereich des Ermessensspielraums liegt, aber nur knapp als schuldangemessen im Sinne von Art. 47 StGB bezeichnet werden kann (Art. 362 Abs. 1 lit. c StPO).
Ergebnis: