Dauerärgernis Einvernahmeprotokolle
Einvernahmen in Strafverfahren werden in der Schweiz in der Regel nicht aufgezeichnet, sondern sinngemäss protokolliert (vgl. Art. 78 f. StPO). Obwohl allen Praktikern bekannt ist (oder bekannt sein müsste), dass die Protokolle selten objektiv verfasst werden und jedenfalls ungeeignet sind, Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit der protokollierten Aussagen zuzulassen, stellen viele Urteile genau darauf und teilweise sogar nur darauf ab (Vieraugendelikte).
Kürzlich hat der Tages-Anzeiger über einen Fall einer manipulativen Einvernahme berichtet. Die richterlich kritisierte Einvernahme lag in audiovisueller Aufzeichnung vor. Vielleicht kann man sich vorstellen, wie es zu und her geht, wenn nichts aufgezeichnet wird oder wenn keine Verteidiger anwesend sind.
Besonders fehleranfällig sind übrigens protokollierte Einvernahmen von beschuldigten Personen in Untersuchungshaft (Geständnisdruck, “Untersuchungshaft schafft Rechtskraft”).
Hierzu gibt es auch einen interessanten Artikel im neuen Plädoyer.
https://www.plaedoyer.ch/artikel/d/protokolle-nur-nach-dem-vieraugenprinzip/
…ACHTUNG aber auch bzgl. gesetzlicher Aussage-PFLICHT i.S.v. Art. 178 Bst. a i.V.m. Art. 180 Abs. 2 StPO bzw. auch gemäss Art. 168 Abs. 1 Bst. b und c i.V.m. Art. 168 Abs. 4 StPO… Die Abgrenzung bleibt also heikel…
Interessant ist folgende Stelle:
“Der Fall des neunjährigen Mädchens ist ein Paradebeispiel für die Verletzung des Aussageverweigerungsrechts. Innerhalb von vier Sekunden war dem Mädchen gesagt worden: «Du musst nichts sagen, wenn du nicht willst. Aber du darfst.» Ohne eine Reaktion des Mädchens abzuwarten oder sich zu erkundigen, ob es den Sinn dieser Belehrung verstanden hat, schloss sich eine einminütige Belehrung an, dass es im Falle einer Aussage aber zur Wahrheit verpflichtet sei. Bereits dieser Anfang stellt laut Obergericht eine Verletzung des Aussageverweigerungsrechts dar.”
Das heisst doch, dass die Standardbelehrung und deren Handhabung im Kanton Zürich nicht StPO-konform ist.