Den Pflichtverteidiger bestrafen?
Das Bundesgericht hält nichts davon, Anwälte für ihren Einsatz als Offizialverteidiger zu bestrafen. Das bringt es in einem neuen Entscheid wie folgt zum Ausdruck (BGer 1B_411/2010 vom 07.02.2011):
Zwar stünde es der Vorinstanz (im Rahmen der anwendbaren kantonalen Prozessvorschriften bzw. von Art. 29 Abs. 2 BV) frei, auf nicht ausreichend substanziierte Vorbringen (oder zum Vornherein aussichtslose Beschwerden) ganz oder teilweise nicht einzutreten. Ebenso dürfte sie sich weigern, einen nicht ausgewiesenen, unnötigen oder offensichtlich übertriebenen Aufwand des Offizialverteidigers (zusätzlich) zu entschädigen (vgl. § 15 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 AT/ZG). Hingegen hält es vor der Verfassung nicht stand, den amtlichen Verteidiger (für seine nach Ansicht der Vorinstanz teilweise weitschweifigen Vorbringen) gleichsam zu „bestrafen“, indem auch seine zur Interessenwahrung des Inhaftierten notwendigen sachgerechten Bemühungen in nicht mehr selbstkostendeckender Weise entschädigt werden (E. 4.7, Hervorhebungen durch mich).
Der Entscheid zeigt, wie Gerichte vorgehen, um die Kosten der Justiz zu begrenzen und gleichzeitig Effekte zu erzielen, die ihre eigene Arbeitsbelastung reduzieren (wenn wir die Anwälte schlecht zahlen, werden sie weniger Aufwand verursachen). Dass dies auf dem Buckel derjenigen ausgetragen wird, die sich keinen Anwalt leisten können, interessiert dabei offenbar nicht. Von der Pflicht, alle Rechtssuchenden gleich zu behandeln, gehen offenbar weniger starke Anreize aus. Es ist daher zu begrüssen, wenn das Bundesgericht den kantonalen Richtern wenigstens ab und zu die Grenzen in Erinnerung ruft.
Die Regeln der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtspflege sollte man einmal umfassend ökonomisch analysieren lassen, insbesondere auf die Fragen, welche Effekte die falsch gesetzten Anreize tatsächlich erzielen und ob diese Effekte mit dem Recht in Einklang zu bringen sind (vgl. zum Thema einen früheren Beitrag).