Den Verfahrensleiter abgeschossen
Für einmal ist es das Bundesverwaltungsgericht, das ein Schlaglicht auf die Unzulänglichkeiten im Zusammenhang mit den Bundesstrafbehörden wirft. Es erklärt die Einsetzung eines Dritten für die Führung eines Disziplinarverfahrens gegen den Bundesanwalt mangels gesetzlicher Grundlage für nichtig. Nichtig ist damit auch die unsägliche Verfügung des (nun eben doch nicht-)eingesetzten Verfahrensführers, wonach die Rechtsvertreter des Bundesanwalts im Disziplinarverfahren nicht zugelassen seien (vgl. Urteil A-3612/2019 sowie die Medienmitteilung dazu). Sie haben den Spiess nun erfolgreich umgedreht und denjenigen, der sie ausschliessen wollte, kurzerhand abgeschossen.
Jetzt muss die AB-BA, die das ja nicht können wollte, doch selbst ran. Vor der Wahl des BA wird das sicher nichts mehr, zumal der Präsident der AB-BA ja eher auch nicht geeignet ist, eine solche Untersuchung zu führen. Wahrscheinlich hofft man nun einfach, das Problem löse sich von selbst, bis der nächste BA über einen Fallstrick der von Anfang bis Ende fehlkonstruierten Bundesstrafbehördenorganisation stolpert.
Schon etwas merkwürdig, dass die AB-BA nach eigenen Angaben auch fachlich nicht in der Lage sein soll, ein Disziplinarverfahren zu führen. Dies nachdem sich unter den Mitgliedern langjährige Staatsanwälte und Anwälte befinden. Dass die Mitglieder im Nebenamt tätig sind, ist gewiss nicht die beste Voraussetzung für die wirksame Durchführung dieses heiklen Verfahrens. Sofern aber das Problem darin besteht, dass vorübergehend mehr Geld für den das Verfahren führenden Nebenämtler bereitgestellt werden müsste, sollte das mit einem Nachtragskredit doch lösbar sein. Daneben gibt es noch einen ständigen juristischen Sekretär. Die AB-BA macht nicht gerade eine gute Figur. Ob der Entscheid dem amtierenden BA hilft, seine Wiederwahl zu schaffen, bezweifle ich allerdings. Es dürfte ein Pyrrhussieg sein.
@Pyrrhus: wohl wahr. Ich frage mich nur, wie lange die Politik einfach zuschaut. Auch eine Nichtwiederwahl würde kein einziges Problem lösen.
Worin bestehen nach Ihrer Ansicht die Probleme mit der BA? BA Lauber hat diese doch bis zu seinem Stolperer relativ gut geführt. Wo sehen Sie den Systemfehler?
@Pyrrhus: Einverstanden mit der Leistung Laubers. Systemfehler auf die Schnelle:
– Wahlbehörden für den BA
– “Wahlbehörde” für die StA des Bundes
– Spezielle Aufsichtsbehörde AB-BA (ein Unding!)
– Bundesstrafgericht mit Rechtsmittelbehörden, die Teil des Gerichts sind
Man trägt organisatorisch der Tatsache nicht genügend Rechnung, dass die BA keine Justiz-, sondern eine Verwaltungsbehörde ist.
Der Rest sind Personalfragen, nicht Systemfragen. Die BA verfügt weiterhin nicht über das hochqualifizierte Personal, das man angesichts der enormen Kompetenzen der einzelnen Staatsanwälte erwarten müsste. Man beachte auch etwa die Wahl der Berufungsrichter und die Spruchkörper der bisherigen Entscheide.
….peinlich…mehr als nur peinlich…die AB-BA ist nicht einmal in der Lage ein Disziplinarverfahren durchzuführen…AB-BA…eine “Schönwetter-Behörde”…ohne Zahn und Biss…und jetzt wahrscheinlich auch noch befangen, nachdem sich AB-BA-Leiter Uster schon zT öffentlich über Lauber und sein Vorgehen geäussert hat….warum hat die AB-BA nicht schon längst “eingegriffen”…um eine solche “Systemkrise” zu verhindern…die AB-BA darf sich eben nicht in “laufende Angelegenheiten” der BA einmischen…nur “zuschauen”…bis es eben zu spät ist…Bundesrichter Oberholzer (Ex-Ab-BA-Vorsitzender) lässt grüssen……wie soll nun diese sog. Aufsicht weitergehen….???? Rücktritt aller AB-BA -Mitglieder…? zumindest von Uster…???…und was für eine Rolle spielte die Gerichtskommission…????
Also ganz unter uns: die vertretung durch erni ist schon nicht so ganz koscher, bundesverwaltungsgericht hin oder her. Oder sehe ich das so falsch? Und dass es unter aspekten des bgfa “verhebt”, wie das bundesverwaltungsgericht sagt, kann ja sein. Aber der ba hat auch eine verpflichtung gegenüber seinem öffentlich rechtlichen arbeitgeber von wegen nichts tun, was dem ansehen des amtes schaden kann auch wenn das bundespersonalgesetz nicht anwendbar sein mag. Die verpflichtung ernis scheint mir da schon ein problem zu sein.
@Pyrrhus: Ich gebe zu, dass es auf den ersten Blick irritieren mag. Aber das war den Beteiligten ja mit Sicherheit auch klar und umso besser werden sie es sich überlegt haben. Unerträglich ist doch aber das Gejammer der National- und Ständeräte, die sich darüber empören, dass Lauber sich mit rechtlichen (horribile dictu!) Mitteln dagegen wehrt, dass nichtige Verfügungen vollzogen werden. Dies schade dem Ansehen der Institution. Falls Institutionen Ansehen geniessen können, was ich nicht glaube, dann sind es doch die Räte, die sie durch ihre Gesetze so gemacht haben wie sie ist: untauglich.
@kj: Einverstanden, was das Gejammer der Räte betrifft. Sie sollten sich halt besser überlegen, wie sie die BA und deren Aufsicht sauber gesetzlich regeln. In einer zunehmend von Profilierungssucht und Schnelllebigkeit geprägten Gesetzgebung muss man sich nicht wundern, wenn “plötzlich” Ergebnisse zutage treten, die nicht beabsichtigt waren (wobei von “nicht beabsichtigt” eigentlich nur gesprochen werden könnte, sofern man sich überhaupt sorgfältig Gedanken bei der Gesetzgebung gemacht hätte). Davon zu unterscheiden ist aber das konkrete Verhalten des BA. Dieser hat durchaus, wie jeder Arbeitnehmer, eine Verpflichtung gegenüber seinem Arbeitgeber, diesem nicht zu schaden. Wenn der BA in einem Disziplinarverfahren, in welchem es darum geht, ob er sich in einem Strafverfahren durch undurchsichtige Kontakte zu Vertretern einer Partei korrekt oder unkorrekt verhalten hat, gerade einen Rechtsanwalt beizieht, welcher in jenem Verfahren eine Partei vertritt, so wird das Disziplinarverfahren ad absurdum geführt. Anstatt Deeskalation fällt dem BA nichts anderes ein, als durch eine problematische Mandatierung den zu untersuchenden Vorwurf (undurchsichtige Parteikontakte) zusätzlich anzuheizen. Nach meiner Ansicht schadet das der Aufsichtsbehörde und damit dem Arbeitgeber. Dass sich der BA gegen nichtige Verfügungen wehrt, ist damit noch gar nicht angesprochen. Er hätte dies eben auch mit einem anderen Anwalt machen können und (so scheint mir) müssen.
@Hallo: Zuerst einmal: Je länger ich darüber nachdenke und je öfter ich das Urteil des BVGer lese, desto unverständlicher wird der Entscheid. Angesichts der vom BVGer zitierten Präjudizien ist für mich zunehmend nicht nachvollziehbar, weshalb bei gleichzeitiger Vertretung des Strafverfolgers (BA) und der beschuldigten Person (Blatter) kein Interessenkonflikt bestehen soll. Blatter ist als ehemaliger FIFA-Präsident im sog. FIFA-Komplex in ein Strafverfahren verwickelt, in welchem der BA (wie es offenbar seiner Gewohnheit entspricht) sich mit Vertretern der FIFA informell trifft. Aufgrund dieser undurchsichtigen Kontakte ist der BA mittlerweile im Ausstand, womit die Mär von der Nichteinmischung des BA vom Tisch ist. Jetzt führt die Aufsicht ein Disziplinarverfahren genau wegen dieser Kontakte im FIFA-Komplex und der Anwalt des BA ist der gleiche Anwalt wie derjenige, der eine Person vertritt, welche ein Interesse daran hat, dass die BA möglichst gelähmt ist. Ich will Blatter nichts unterstellen, aber es ist ähnlich wie beim Ausstand: Die Gefahr muss sich nicht realisieren, es reicht, dass sie konkret besteht (im Sinne eines Anscheins). Das ist hier der Fall; die Gefahr ist nicht einfach abstrakt und dass die Vertretung nicht “ansatzweise” mit dem Strafverfahren Blatter zu tun habe, ist die Untertreibung des Jahres. Insofern ist das Anwaltsaufsichtsverfahren sicher noch nicht erledigt und der Entscheid des BVGer bindet die Aufsichtsbehörde nicht. Zur Verpflichtung des BA gegenüber seinem Arbeitgeber: Offenbar konkretisiert die BA selber, was sie unter Treuepflicht versteht (“Code of Conduct”). Weshalb ein Verstoss gegen diesen Code als Konkretisierung der allgemeinen arbeitnehmerischen Treupflicht gemäss BVGer keine entscheidwesentliche Rolle spielen soll, ist schleierhaft. Die Verletzung der Treuepflicht trifft zwar nicht Erni direkt sondern den BA (weiteres Disziplinarverfahren?). Aber wenn die Verletzung in der Mandatierung besteht, so hat das der Arbeitgeber sicher nicht einfach hinzunehmen. Antwort auf Ihre Frage: Nach meiner Ansicht: Ja.