Der Anwalt als Anderer i.S.v. Art. 173 StGB
Auch wer gegenüber seinem Anwalt ehrenrührige Äusserungen über eine andere Person macht, kann den Tatbestand von Art. 173 StGB (üble Nachrede) erfüllen (BGE 6B_127/2019 vom 09.09.2019, Publikation in der AS vorgesehen).
Erfolgt die Äusserung nicht an den Anwalt als “Vertrauensperson”, ist sie tatbestandsmässig:
En l’espèce, les faits constatés par l’arrêt entrepris ne permettent pas de penser que X. aurait communiqué des propos susceptibles d’être attentatoires à l’honneur du recourant à son avocat en comptant sur le fait que ce dernier ne les communiquerait pas plus loin. Au contraire, au vu du courrier du 8 août 2017 adressé au recourant par l’avocat de X., il n’apparaît de loin pas exclu que ce dernier ait transmis ces informations dans le but que son avocat s’en serve à l’attention du recourant notamment. L’avocat ne saurait dans ces conditions être considéré comme un “confident”. Il était par conséquent exclu, qui plus est préalablement à toute instruction, de nier que l’avocat de X. puisse avoir la qualité de tiers. L’autorité précédente ne pouvait en conséquence confirmer le refus d’entrer en matière pour ce motif sur les chefs d’accusation de diffamation et de calomnie (E. 4.3.4).
Scheint mir etwas missverständlich. Bei Äusserungen “… gegenüber seinem Anwalt …” ist der Anwalt wohl immer Vertrauensperson. Erfolgt die Äusserung nicht an den (seinen) Anwalt als „Vertrauensperson“, ist die Bezeichnung ‘seinem Anwalt’ vermutlich fehl am Platz.
Na ja, der Verdacht auf Wortklauberei liegt nahe.
@Richard Kälin: Nein, ich bin absichtlich so vage geblieben, weil ich die Rechtsprechung nicht verstehe. Ich weiss nicht, was das entscheidende Kriterium sein soll.
In der Tat ist der Entscheid absolut unverständlich. Der Rechtsanwalt, welcher ja den entsprechenden Berufspflichten untersteht, ist doch immer als “Vertrauensperson” zu werten. Ganz unabhängig, ob der Rechtsanwalt hernach gegen diese Pflichten verstösst.
Dogmatisch interessant wäre auch, ob sich der Rechtsanwalt strafbar macht, wenn er die seitens seines Klienten geäusserten Ehrverletzungen in eine Rechtsschrift aufnimmt… Dies passiert ja alltäglich und scheint in Ordnung zu sein.
@mulluk: Ja, der Rechtsanwalt macht sich u.U. selbst auch strafbar. Dazu gibt es unzählige Entscheide. Oft sind es Freisprüche, weil die Berufspflichten als Rechtfertigung herangezogen werden können. Das gelingt aber nur, wenn die Beleidigungen nicht unnötig grob und unsachlich sind. Ich wurde selbst schon angeklagt (und freigesprochen), weil ich in einem Arrestverfahren einen Arrestgrund begründet hatte. Einen Schuldspruch, den das Bundesgericht dann kassierte, erhielt ich auch, nachdem ich als Rechtsvertreter eine Strafanzeige gegen zwei Untersuchungsrichter einreichte. In Scheidungsverfahren ist man da weniger zimperlich. Und als Strafverteidiger kann man sich auch etwas mehr leisten. Einfach immer anständig und bescheiden bleiben.
Das Ergebnis ist einfach: Der Berufsalltag des Rechtsanwalts ist jetzt voll des Strafwürdigen. Kein Tag vergeht, an dem nicht ein Klient die aktuellen oder prospektive Gegenpartei des strafbaren, völlig unethischen, vollkommen unmoralischen Verhaltens oder Unterlassens bezichtigt. Es gehört zum Beruf des Anwalts hier auch Depotstelle für Wut, Enttäuschung, Frustration der eigenen Klientschaft zu sein. Das scheint noch nicht beim Bundesgericht angekommen zu sein. Immer weiter verschanzen sich unsere Höchstrichter und Gerichtsschreiber in ihrem weltfremden Elfenbeinturm, wo die Welt nur aus abstrakten Rechtsfragen besteht.
Und für den Anwalt: Begreife! Du bist nicht einfach das geschulte Sprachrohr deiner Klientschaft. Also halt die Klappe.