Der Beifahrer als Fahrzeugführer

Das Bundesgericht stellt in einem ausserordentlich gründlich begründeten Entscheid einmal mehr fest, dass der Führerbegriff des Strassenverkehrsrechts weit auszulegen ist. Auch der Beifahrer könne Führer sein, womit auch dessen Führerausweis entzogen werden könne (BGer 1C_171/2015 vom 28.10.2015). Dass es sich bei diesen Erwägungen bloss um ein obiter dictum handelt, nimmt der interessierte und wohl auch amüsierte Leser sicher gern in Kauf.

Entscheidrelevant war dagegen die ebenso amüsante Frage, ob man ohne (bzw. i.c. bei entzogenem) Führerausweis versuchen darf, ein auf einem Verkehrspoller festsitzendes Auto durch Rückwärtsfahren zu befreien. Beim Versuch blieb es, weil sich das Auto gar nicht erst starten liess. Dies hinderte die kantonalen Instanzen nicht, dem potentiellen Führer den Führerausweis ein weiteres Mal zu entziehen. Es reichte der Versuch. Das Bundesgericht schliesst sich dieser Meinung aus erzieherischen Gründen an:

Es bestehen keine Zweifel daran, dass ihm im Zeitpunkt des Vorfalls bewusst war, einem administrativen Warnungsentzug zu unterliegen. Trotzdem hat er sich nach der Kollision mit dem Poller auf die Fahrerseite begeben, um rückwärts von diesem herunterzufahren, wodurch er seine Absicht, ein Fahrzeug führen zu wollen, klar manifestiert hat. Hinzu kommt, dass er die zur Ingangsetzung des Fahrzeugs dienenden technischen Einrichtungen betätigt und die mit den dem Führen eines Motorfahrzeugs verbundenen Verrichtungen soweit möglich vorgenommen hat. Dass sich der Motor nicht starten liess und sich das Fahrzeug deshalb nicht fortbewegte, vermag daran nichts zu ändern. Denn der weitere Verlauf des in die Wege geleiteten Manövers wurde allein durch technisches Versagen und nicht durch bessere Einsicht bestimmt. Der Warnungsentzug dient der Besserung des Fahrers und der Bekämpfung von Rückfällen (Spezialprävention); er erweist sich als eine um der Verkehrssicherheit willen angeordnete Verwaltungsmassnahme mit primär präventivem und erzieherischem Charakter, die teilweise auch strafähnliche Züge aufweist (BGE 141 II 220 E. 3.1.2 S. 224 mit Hinweisen). Indem der Beschwerdeführer mit der Absicht des Wegfahrens das Fahrzeug vom Poller herunterzufahren versuchte, setzte er sich über den verfügten Warnungsentzug und dessen Zweck hinweg und brachte damit die Bereitschaft zur Missachtung der Massnahme zum Ausdruck. Zudem leuchtet nicht ein, weshalb die Freundin des Beschwerdeführers, die zuvor bereits den Personenwagen geführt hatte und gemäss Einvernahmeprotokoll auch noch nach dem Aufprall (für kurze Zeit) anwesend war, nicht selber hätte versuchen können, das Fahrzeug vom Poller herunterzufahren (…). Dass der Versuch, das Fahrzeug wegzufahren, aufgrund der Gegebenheiten am Unfallort das mildeste Mittel zur Sicherung des Verkehrs dargestellt habe und somit gerechtfertigt sei, überzeugt nicht. Neben den von der Vorinstanz vorgeschlagenen Massnahmen (Verkehrssicherung durch Handzeichen oder Anbringen eines Pannensignals) wäre es dem Beschwerdeführer ein Leichtes gewesen, zusammen mit seiner Freundin oder mit dem zu Hilfe geeilten Besucher des nahegelegenen Restaurants bis zum Eintreffen der Polizei resp. des Abschleppdienstes für die Verkehrssicherung zu sorgen (E. 3.6, Hervorhebungen durch mich).

Trotzdem wird die Beschwerde teilweise gutgeheissen, und zwar bei der Anrechnung der Entzugsdauer. Dass die kantonalen Instanz das Recht falsch angewendet hatten, war dem Beschwerdeführer nicht aufgefallen. Er hat es demzufolge auch nicht gerügt. Aber weil das Bundesgericht das Recht von Amts wegen anwendet, heisst es bisweilen auch Rügen gut, die gar nicht vorgetragen wurden.

Und was hat das mit dem Beifahrer zu tun? Eigentlich nichts. Der Täter, der durch technisches Versagen an der Tat gehindert wurde, war beim Unfall, also beim Auffahren auf den Poller, halt nur Beifahrer. Gefahren war die Freundin, die nach dem Unfall weggelaufen war. Und das alles mitten in Solothurn.