Der betrügende Freier
In einem neuen Grundsatzentscheid bejaht das Bundesgericht die Frage, ob dem auf einer selbstbestimmten Vereinbarung zur Erbringung einer sexuellen Dienstleistung gegen Entgelt beruhende Anspruch auf Entschädigung nach Erbringung ihrer Leistung strafrechtliche Schutzwürdigkeit zuerkannt werden muss (BGE 6B_572/2020 vom 08.01.2021, Publikation in der AS vorgesehen). Damit (und mit der ebenfalls bejahten arglistigen Täuschung) war es möglich, einen die vereinbarte Zahlung verweigernden Freier wegen Betrugs zu verurteilen.
Zu verdanken ist der neue Entscheid dem Kantonsgericht SG, welches in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung einen Vermögensschaden i.S.v. Art. 146 StGB angenommen hatte, sowie dem Beschwerdeführer, der sich auf die bisherige Praxis berufen wollte und nun die Kosten für die Praxisänderung (ich glaube, es ist eine) trägt. Es sei ihm gedankt.
Eine gute Zusammenfassung des Entscheids findet sich in der Medienmitteilung.
Ich glaube nicht, dass das wirklich neu ist.
Wer Drogen kauft, der tätigt ebenfalls ein nichtiges Rechtsgeschäft und hat keinen Durchsetzungsanspruch. Trotzdem liegt ein Betrug vor, wenn man über den Reinheitsgrad der Drogen arglistig getäuscht wird. Das Bundesgericht hat sich dazu in BGE 117 IV 139 einlässlich geäussert. Ist zwar nicht ganz der gleiche Sachverhalt (da beim Drogenkauf das sittenwidrige Geld effektiv fliesst, im vorliegenden Fall aber gerade im Sinne eines Vorleistungsbetrugs nicht bezahlt wird), aber inhaltlich wohl die gleiche Stossrichtung weg vom rein juristischen Vermögensbegriff.
Und Einkommenssteuern muss man sowohl für Drogentransaktionen wie auch bei sexuellen Erwerbstätigkeiten auch zahlen, da gibt es auch kein Erlass, nur weil die Erwerbsart “sittenwidrig” ist.
Drogenhandel, Menschenhandel und ähnliches sind zwar verboten, für das BIP und das Wirtschaftswachstum ist man sich dann aber nicht zu schade diese illegalen Geschäfte trotzdem der Wirtschaftsleistung zuzurechnen.
Ansonsten kann man zum Entscheid sagen: eigentlich Selbstverständlich das Zechprellerei nicht erlaubt ist. Hier geht es ja nicht um ein illegales Geschäft sondern um eine legale Dienstleistung.
Der Beschwerdeführer musste Erfahren was Rechtssicherheit in der Schweiz heisst…
Neu ist (jedenfalls für mich), dass Bger. die Sozialüblichkeit als Kriterium für den Anspruch auf das Entgelt für Dienstleistungen im sexuellen Bereich verwendet. Da das Bundesgericht aber auch den Schadenersatzanspruch im Umfang des Honorars (wohl samt Zins) schützt, wird da auch zivilrechtlich der Weg aus der Sittenwidrigkeit gespurt. Kein Gedanke wurde daran verloren, ob ziviler Schadenersatz für entgangenes sittenwidriges Entgelt zulässig sein soll. Beim Vorleistungsbetrug bei Drogengeschäften u.dergl. wäre wohl nicht so entschieden worden. Mutmasslich effektiv ein Fortschritt.