Der EDÖB und die Hooligans
Der Sicherheitsschef der Euro 08 glaubt gemäss Solothurner Tagblatt, die Sicherheit erhöhen zu können, indem die Polizei präventiv Gespräche mit Personen führt, die in der Hooligan-Datenbank verzeichnet sind (vgl. meinen früheren Beitrag). Zu diesem Zweck sollen die Hooligans auf den Polizeiposten eingeladen werden. Kommen sie der Aufforderung nicht nach, werden sie zuhause oder am Arbeitsplatz aufgesucht. Zur gesetzlichen Grundlage führen die Sicherheitsverantwortlichen gemäss ST folgendes aus:
Selbst das Hooligangesetz, also die extra für die EM angepassten Artikel im Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit, sehen keine entsprechenden Bestimmungen vor. Die Euro-08-Sicherheitsverantwortlichen argumentieren, die kantonalen Polizeigesetze genügten. Darin sei festgehalten, die Polizei solle auch präventiv wirken.
Fundierteres ist vom Sicherheitsschef auch in seiner aktuellen Funktion nicht zu erwarten. Immerhin erscheint es als möglich, dass einzelne Kantone tatsächlich eine gesetzliche Grundlage kennen. Bekannt ist mir allerdings nichts entsprechendes.
Was zu denken gibt ist die neue Haltung des EDÖB, der sich bisher konsequent für “Privacy” eingesetzt hat. Dass der EDÖB die im ST abgedruckte Begründung von sich gegeben haben soll, kann ich angesichts dessen nicht glauben:
Heute, sagt Thür, könne er mit einer Empfehlung leben – als Ultima Ratio, wohlverstanden. Jeder Betroffene habe ja die Möglichkeit, einen Besuch der Polizei zu Hause oder bei der Arbeit zu verhindern, indem er dem Gesprächsaufgebot nachkomme. Wenn jemand das Gespräch verweigern sollte, könne man zudem davon ausgehen, dass er sich nicht einbinden lassen wolle und effektiv eine Gefahr darstelle. Und es seien ja nicht irgendwelche Personen, die man aufsuche, «sondern Leute, die in der Hooligandatenbank registriert sind».
Auf seinen Kern reduziert fasse ich das EDÖB-Argument so zusammen:
Jeder Hooligan hat die freie Wahl, ob er lieber zur Polizei geht oder ob er sie zu Hause / am Arbeitsplatz empfangen will. Will er nicht sprechen, gilt er als gefährlich.
Es mag sein, dass das Argument datenschutzrechtlich schlüssig ist. Staatsrechtlich ist es fatal, zunächst weil es den Betroffenen vor die “Wahl” stellt, sich für einen von zwei Nachteilen zu entscheiden, obwohl es für keinen der beiden eine gesetzliche Grundlage gibt. Im Weiteren setzt das Argument denjenigen unter Generalverdacht, der nicht kooperiert, obwohl er nicht kooperieren muss.
Ich gehe fest davon aus, dass in den nächsten Tagen ein Corrigendum erscheinen wird.
Ich schliesse mich der in den letzten Zeilen geäusserten Hoffnung an.
Zur datenschutzechtlichen Seite: Wird eine in der Hoo(li)gan-Datenbank erfasste Person (Abbrennen von Pyro-Gegenständen reicht bekanntlich), zuhause oder gar an der Arbeitsstelle von der Polizei besucht, wird die Person damit doch vor Mitbewohnern/Nachbar resp. Arbeitskollegen/Vorgesetzten als Hooligan “enttarnt” oder zumindest in den Verdacht gebracht, dass irgendwelche strafbaren Handlungen vorliegen. Solche Informationen gelten gemäss Art. 3 Bst. c DSG (und ähnlich in vielen Kantonen) als besonders schützenswerten Daten (“Daten über administrative oder strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen”). Für die Bekanntgabe solcher Daten gelten strenge Vorschriften. Dass also eine solche Besuchs-Aktion durch Wischi-Waschi-Zweckparagrafen in den kantonalen Polizeigesetzen gedeckt ist, wage ich zu bezweifeln.
Ich stehe wohl unter Genaralverdacht in einem noch “böseren Zusammenhang”. Aus diesem Grunde wollte ich mit dem Chef des Amtes für öffentliche Sicherheit in Solothurn persönlich sprechen, doch dieser wollte nicht. Darf ich nun daraus folgern, dass ich doch nicht so gefährlich bin?